Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
prangten eine scharlachrote Daunendecke und goldene Kissen. Lebendige Farben taten ihr gut. Sie halfen ihr beim Aufwachen, erinnerten an Herzschlag und Aktivität. Die Orchideen auf der Kommode waren feurig orange.
Sie hasste enge Räume, und das Haus ließ ihr Platz zum Atmen. Es hatte sogar eine wunderschöne Aussicht auf die Golden Gate und die Bay Bridge. Um sie zu genießen, musste sie nur über das Fallrohr aufs Dach klettern. Kinderspiel.
Sie liebte ihr Domizil. Auch wenn es ihr manchmal zu ruhig war, jetzt, wo sie ganz allein wohnte.
Als sie aus der Dusche stieg, fühlte sie sich wie neugeboren. Sie zog sich an und legte ihre Halskette um, eine Silberkette, an der ein koptisches Kreuz und ein Ring aus Weißgold hingen. Unten in der Küche fuhr sie ihr Notebook hoch. Die Sonne warf einen Lichtkeil durch die Sprossentür. Im
Schatten der alten Magnolie lag der winzige rückwärtige Garten, der überwuchert war von Salbei, Flieder und ungezähmten weiß blühenden Klematisranken.
Ihr Computer gab Laut. Lieutenant Tang hatte ihr ein Bündel Vorabinformationen geschickt.
Callie Ann Harding. Alter: sechsunddreißig. Adresse in Palo Alto. Geschieden, kinderlos. Ihr nächster Angehöriger war ihr Exehemann Gregory Harding, wohnhaft in Portola Valley. Er war bereits verständigt und hatte die Tote identifiziert.
Ziemlich grusliger Weckruf für den Ex. Jo zerrte mit den Zähnen die Kappe von einem Stift und trug in ihr Notizbuch ein, dass sie Harding kontaktieren musste, und zwar möglichst bald.
Sie öffnete das nächste Dokument: das Foto aus Callie Hardings Führerschein.
Selbst im grellen Kameralicht wirkte die Frau äußerst attraktiv. Ihre Wangenknochen traten leicht hervor, wie man es oft bei Langstreckenläufern fand. Das Haar war zu einem glatten länglichen Knoten aufgesteckt und in einem Platinton gefärbt, der auf ein gesundes Ego und eine starke Libido schließen ließ. Ein ausgesprochenes Monroeblond, von dem sich ihre ernsten, klaren Augen abhoben. Ihr Blick war durchdringend und beängstigend intensiv.
Jo zog ihre Checkliste für die psychologische Autopsie heraus. Allmählich wurde sie richtig munter.
Ziel ihrer Arbeit war, zu ermitteln, ob jemand auf natürliche Weise, durch einen Unfall, durch Selbstmord oder durch Mord gestorben war. Dazu sammelte sie so viele harte Fakten wie nur möglich. Doch in diesem Fall standen ihr keine
der Informationen zur Verfügung, auf die sie sonst zurückgreifen konnte.
Der Polizeibericht über den Unfall war alles andere als abgeschlossen. Die Forensiker hatten den BMW noch nicht untersucht, konnten also noch nicht sagen, ob ein mechanischer Fehler vorgelegen hatte. Hardings Verwandte, Freunde und Kollegen waren nicht befragt worden. Die Autopsie war für Mittag angesetzt, was bedeutete, dass Barry Cohen einige andere Sachen zurückgestellt hatte. Aber die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung sowie des Blut- und Urintests würden erst später vorliegen.
Sie musste sich also an die Polizisten halten und den Gerichtsmediziner ausquetschen. Und weder die einen noch der andere waren unbedingt scharf darauf, ihre Erkenntnisse an eine Psychiaterin weiterzugeben.
Zu Barry Cohen hatte sie zwar eine angenehme Arbeitsbeziehung, doch für einige seiner Kollegen war schon das Konzept der psychologischen Autopsie ein rotes Tuch. Sich selbst begriffen sie als Wissenschaftler, während Jo ihrer Meinung nach Hokuspokus betrieb.
Und damit hatten sie gar nicht mal so unrecht. Psychologische Autopsie war keine Wissenschaft. Sie war wie alle Zweige der Medizin eine Kunst.
Jo schnitt keine Leichen auf. Dennoch ging ihre Arbeit in die Tiefe. Sie erforschte die Geschichte der Opfer - Krankheiten, Psyche, Bildung und sexuelle Neigungen. Sie fahndete nach frühen Hinweisen auf Selbstmordgefahr. Sie informierte sich über die Beziehungen der Verstorbenen. Las ihre schriftlichen Hinterlassenschaften. Förderte ihre Online-Aktivitäten zutage. Erkundigte sich nach ihren Vorahnungen
und Stimmungsschwankungen. Sammelte Reaktionen von Freunden und Verwandten auf den Tod des Opfers. Und fragte nach früheren und aktuellen Feinden.
Die gab es tatsächlich. Und sie waren von einem anderen Kaliber als die ihrer Mutter, die jeden Knirps, der eins ihrer Kinder von der Spielplatzrutsche schubste, auf eine schwarze Liste gesetzt hatte.
Um den Geisteszustand eines Verstorbenen zu ergründen, spürte sie seinen Ängsten, Phobien und Fantasien nach. Der Tod ist ein physisches
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