Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
den Blick auf die Bäume. »Wie war sie?«
»Kompromisslos.« Der brüchige Ton kehrte zurück. »Das meine ich nicht negativ. Sie war brillant, überlegt, engagiert. Das hat sie zu einer erfolgreichen Anwältin gemacht.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, war sie im Amt des Bundesstaatsanwalts auf dem Weg nach oben.«
»Wie eine Rakete. Die Arbeit hat sie angespornt. Und jeden schweren Jungen, den sie hinter Schloss und Riegel gebracht hat, hat sie als persönlichen Triumph verbucht.« Diesmal bröckelte seine Stimme merklich. »Wenn sie sich umgebracht hätte, hätte sie ihre Bilanz nicht weiter verbessern können. So was wäre für sie nie infrage gekommen.«
»Wann haben Sie zuletzt mit ihr gesprochen?«
»Vor zwei Tagen. Sie klang gut.«
Sie bogen um die Ecke und strebten auf ein von Eichen und Ahornbäumen beschattetes Wohnareal zu. Harding wies mit dem Kopf auf eine Reihe eleganter Stadthäuser und zog einen Schlüssel aus der Tasche.
»Hier.«
Sie überquerten einen sorgfältig manikürten Rasen und landeten vor einer rot lackierten Eingangstür. Er steckte den Schlüssel ins Schloss.
»Für ein geschiedenes Paar haben Sie eine enge Verbindung bewahrt«, bemerkte Jo.
»Ich habe immer ihre Pflanzen gegossen, wenn sie weg war.«
»Sie hat Sie als ihren nächsten Verwandten angegeben.«
»Wir haben beide keine Angehörigen. Für uns war es das Einfachste. Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages …«
Er sackte ein wenig zusammen, und seine Hand fuhr zu den Augen. »Entschuldigung.«
Ihre Leiche zu identifizieren war bestimmt schrecklich für ihn gewesen. »Ich weiß, dass es nicht leicht ist.«
Kopfschüttelnd stieß er die Tür auf und winkte Jo hinein. Sie folgte ihm und verharrte, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Das Haus war luftig und sparsam eingerichtet, mit schwarzen Ledermöbeln unter einer hohen Decke. Von der Galerie im ersten Stock blickte man aufs Wohnzimmer. Jo konnte sich Callie in diesen Räumen vorstellen, blond und glanzvoll, die Arme ausgestreckt wie Eva Perón. Es war elegant, schlicht und kalt. Der Teppichboden war makellos weiß wie das Brusttuch einer Nonne.
Schmutzig.
»Waren Sie hier, seit Sie von ihrem Tod erfahren haben?«
»Nein.« Er stand reglos in der Eingangstür.
»Ich erkläre Ihnen jetzt, was ich tun muss.«
Sie ging es Punkt für Punkt mit ihm durch. Sie ließ ihn im Wohnzimmer Platz nehmen und arbeitete die Fragen auf ihrer Liste ab. War Callie je in psychiatrischer Behandlung gewesen? Nein. Irgendwelche Selbstmorde oder Geistesstörungen in ihrer Familie? Keine. Harding antwortete matt und resigniert. Callie hatte nie eine ernste Krankheit gehabt. Sie steckte in keiner romantischen Beziehung, soweit ihm das bekannt war. Sie war nicht religiös.
»Sie hatte einfach eine puritanische Arbeitsmoral. Sie war nüchtern und hart in ihrem Urteil. Eine perfekte Staatsanwältin.«
Weder waren ihm Veränderungen ihrer Ernährungsgewohnheiten aufgefallen, noch hatte er Anzeichen dafür bemerkt, dass sie sich von den Menschen zurückzog. Oder dafür, dass sie ihre Sachen verschenkte.
»Sie hat sich nicht auf ihren Tod vorbereitet. Sie hat schwer gearbeitet. Mit Vollgas.« Er brach ab. Bestürzt über seine Worte kniff er sich in den Nasenrücken. »Ich brauche eine kurze Pause.«
»Lassen Sie sich Zeit. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, sehe ich mich inzwischen ein bisschen um.«
»Nur zu.«
Die Küche war ein Chrompalast voller Diätkochbücher. Im Kühlschrank stand eine halb volle Flasche Pinot Grigio. Die einzigen Medikamente im Wandschränkchen waren Tylenol und Advil.
Ein Bücherregal im Wohnzimmer präsentierte ein Sammelsurium von Bestsellern. Der Schwerpunkt von Callies Musiksammlung lag auf kitschigen Nashville-Hits und Musicals. Den Soundtrack zu Wicked wollte Jo nicht als Alarmsignal werten. Auch nicht als verbindliches Indiz für unter der Oberfläche lauernde erotische Fantasien.
Mit der Digitalkamera stieg sie hinauf in den ersten Stock. Das Schlafzimmer war plüschig. Im Schrank befanden sich teure Kostüme und Schuhe, in den Kommodenschubladen Unterwäsche. Teure, gewagte Spitzendessous. Es gab Strapsgürtel mit Tierdruckmotiven und Netzstrümpfe. Aber auch das war nicht unbedingt extravagant. Kein Sexspielzeug, weder Peitschen noch Zaumzeug. Und auch kein Domina-Geheimfach.
Jo durchsuchte das Bad. Keine Drogen, keine Pillen - bis auf Verhütungsmittel. Vielleicht wusste Gregory Harding doch nicht alles über Callies
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