Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
Avenue. In der Oktobersonne herrschte geschäftiges Treiben auf der Straße. Der Elan der Universitätsstadt wurde überlagert durch eine Atmosphäre von Streberschick. Altmodische Schönheitssalons grenzten reibungslos an Apple-Läden, die Kathedralen des neuen Jahrtausends. Ihr Blick fiel auf die Filiale des Stanford Bookstore.
Hier hatte sie während des Medizinstudiums ihre mageren Brötchen verdient.
Das Café verbarg sich ein wenig zurückversetzt in einer schattigen Arkade im spanischen Stil. Um zwanzig nach zehn kam sie an und schob sich die Sonnenbrille nach oben ins Haar. Ein Mann mit nordisch blauen Augen schaute sie an, schaute auf die Uhr, schaute wieder her. Er ließ sein Wall Street Journal auf den Tisch sinken und beobachtete, wie sie sich näherte.
Sie streckte ihm die Hand hin. »Jo Beckett. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
»Ich dachte, Sie kommen zu spät.« Sein Handschlag war nicht weniger brüsk als sein Ton. Anklagend, obwohl sie zu früh dran war.
Gregory Harding wirkte blass und hochprozentig wie ein Glas Wodka. Sein Haar war extrem blond, fast polar. Seine Augen hatten die gleiche eisig blaue Farbe wie sein Hemd. Die Uhr an seinem Arm war eine Rolex. Schlank und hochgewachsen, besaß er die Haltung einer Birkenrute. Die selbstsichere Gelassenheit der reichen Schicht. Doch sein Gesicht war eingefallen. »Können Sie mir irgendeine Marke zeigen?«
Sie setzte sich. »Ich bin keine Polizeibeamtin.«
Sie reichte ihm ihre Karte. Er warf einen flüchtigen Blick darauf, ließ sie auf die Zeitung fallen und musterte Jo von oben bis unten. Sie hatte sich bewusst in Schale geworfen. Sie trug eine marineblaue Wickelbluse und eine braune Wollhose über Stiefeln mit flachen Absätzen. Dazu silberne Creolen. Ihre ungebärdigen Locken hatte sie mit einer Haarspange nach hinten gezurrt. Hardings Augenmerk galt jedoch
vor allem ihrer silbernen Halskette mit dem Kreuz und dem weißgoldenen Ring.
Er musterte sie mit dem gleichen Blick wie Lieutenant Tang in der vergangenen Nacht: Was bist du für eine?
Es lag nicht nur an dem schummrigen Licht unter der Arkade. Es fiel den Leuten immer schwer, sie einzuordnen. Ein Hauch von Asien, vielleicht eine Kirschblüte. Eine Spur von Wüstenwind, Schwertern, Sand und klagender Musik in einer staubigen Ruine.
»Können wir über Ihre Exfrau sprechen?«
»Wozu lassen die Cops eine Psychiaterin in Callies Seelenleben rumstochern? Warum kommen sie nicht gleich mit der Brechstange?«
»Ich arbeite nicht mit der Brechstange. Und es tut mir leid, wenn das für Sie schmerzhaft ist.«
»Erzählen Sie mir doch nichts! Sie gehen davon aus, dass sie sich umgebracht hat. Ist das vielleicht nicht mit der Brechstange gedacht? Und wenn sie einen Herzinfarkt hatte? Woher wollen Sie wissen, dass nicht die Bremsen versagt haben?«
»Ich weiß es nicht. Deswegen ist es wichtig, so viele Informationen zu sammeln wie möglich. Sie glauben also nicht, dass sie Selbstmord begangen hat?«
»Nie im Leben. Ausgeschlossen.«
Etwas Weiches schlich sich in seine Stimme, ein haarfeiner Riss in der Fassade. Plötzlich spürte Jo, dass er gar nicht feindselig war. Er war einfach erschöpft und angeschlagen, konnte sich nur mit Mühe zusammenreißen.
Er stand auf. »Ich zeige Ihnen ihr Haus. Es ist gleich um die Ecke.«
Sie traten aus dem Schatten der Arkade. Sein Schritt war schnell, und er hatte die Hände tief in den Taschen seiner Kakihose vergraben.
»Wie lange waren Sie mit ihr verheiratet?«
»Fünf Jahre. Seit sieben geschieden.« Er deutete mit dem Daumen Richtung Stanford. »Sie hat Jura studiert, ich war im JD/MBA-Programm.« Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Das ist ein vierjähriger Studiengang, Jura und Betriebswirtschaft gleichzeitig.«
»Das ist mir bekannt. Ich habe in Stanford Medizin studiert.«
Er nickte, als würde er sie in einer Stammesgemeinschaft begrüßen. »Sie wurde Anwältin, ich Spezialist für Risikokapital. Wir haben geheiratet, dann sind wir auseinandergedriftet. Keine Kinder, keine Haustiere, kein Garnichts. Nur eine Studienromanze, die dem richtigen Leben nicht standgehalten hat.« Er rammte die Hände noch tiefer in die Hosentaschen. »Aber letztlich haben wir es geschafft, gute Freunde zu bleiben.« Er fixierte sie kurz, offenbar um sich zu vergewissern, dass er nicht komisch klang. »Sind Sie verheiratet?«
»Nein.«
»Schon mal gewesen?«
»Ja.«
»Dann wissen Sie ja, dass es hinterher kompliziert wird.«
Sie richtete
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