Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
Liebesleben.
Sie stöberte weiter. Nichts.
Harding blickte auf, als sie die Treppe herunterkam. »Haben Sie einen Abschiedsbrief gefunden?«
»Nein.«
Doch das bewies gar nichts. Die meisten Selbstmörder hinterlassen keine Nachricht.
Sie ging in Callies privates Arbeitszimmer, setzte sich an den Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Harding blieb in der Tür stehen.
»Wie können Sie nur so eine Arbeit machen?«
Sie schwenkte zu ihm herum. Die Frage war wichtig. Sie schenkte ihm ihre volle Aufmerksamkeit. »Die Toten können nicht mehr sprechen. Aber manchmal kann ich für sie sprechen.«
»Meinen Sie nicht eher, dass Sie ihnen Worte in den Mund legen? Sie sind fort.«
»Wenn Leute sterben, sind sie nicht einfach fort. Sie hinterlassen eine Lücke. Und wenn die Todesursache unklar ist, bleibt nicht nur Trauer, sondern auch Ungewissheit. Wenn die Wahrheit über das Leben und den Tod eines Menschen ans Licht kommt, wird er den Hinterbliebenen dadurch wieder ein Stück präsenter. Es hilft, die Lücke zu schließen.«
»Die Wahrheit kann auch schmerzhaft sein.«
»Sie kann dafür sorgen, dass die Angehörigen wieder Boden unter den Füßen spüren. Und sie hilft beim Abschiednehmen.«
Sein Habichtsblick hing an ihr. »Sie haben schon mal jemanden verloren.«
Sie brauchte nicht zu antworten. Fast unmerklich nickte er.
Jo wandte sich wieder zum Schreibtisch. »Ich will die letzten vierundzwanzig Stunden in Callies Leben rekonstruieren. Hat sie einen Kalender oder ein Tagebuch geführt?«
»Keine Ahnung. Schauen Sie sich um.«
In der untersten Schublade stieß sie auf Notizbücher und einen Taschenkalender, den sie durchblätterte. Der kommende
Monat war voll mit Verabredungen, die Callie nicht mehr einhalten würde.
Es war Zeit, tiefer zu graben. Sie schätzte Hardings Körpersprache ab: erschöpft und angespannt. Sie musste an der Peripherie beginnen. »Was hatte Callie für eine Persönlichkeit? War sie ruhig? Leicht erregbar? Gewalttätig?«
»Gewalttätig?« Er stieß ein raues Lachen aus. »Jetzt machen Sie mal einen Punkt. Sie hat Gewalttäter ins Gefängnis gebracht.«
»Das kann dazu führen, dass man abstumpft.« Im Zuge ihrer Ausbildung hatte Jo auch in San Quentin gearbeitet. Dort hatte sie haufenweise gefühllose, gewalttätige Gefängnisangestellte kennengelernt.
»Es hat sie abgehärtet, aber nicht abgestumpft. Sie hat Gewalt gehasst. Kriminelle. Männer, die Frauen wehtun. Solche Leute hat sie bestraft.«
Jo dachte an Callies letzte Minuten, an ihren Hilferuf. »Hat sie Ihnen etwas von Ängsten erzählt? Von Leuten, die sie belästigt haben? Wurde sie von jemandem bedroht?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Außerdem, wenn jemand sie bedroht hätte, hätte sie ihm ein Sondereinsatzkommando auf den Hals gehetzt und sich seine Eier zum Frühstück servieren lassen.«
»Hatte sie irgendwelche Vorahnungen?«
»Nein.«
»Träume?«
»In ihren Träumen war sie Justizministerin.« Über seine Lippen huschte ein Lächeln. »Wenn Callie etwas wollte, hat sie alles drangesetzt, es zu bekommen. Sie war unerbittlich. Manche Leute haben sie für nachtragend gehalten. Für mich
war sie nur hartnäckig.« Sein Lächeln verblasste. Er wandte den Blick ab und trat vor ein Bücherregal.
»Sonst etwas? Irgendwelche Fantasien?«
Er nahm ein Foto in einem Silberrahmen in die Hand. Er blies den Staub weg und strich mit den Fingern über das Glas.
»Mr. Harding? Hatte Callie Fantasien?«
Er blickte auf. Seine blauen Augen glänzten. »Was für Fantasien?«
»Ganz egal.«
Seine Stimme wurde argwöhnisch. »Sexueller Art, meinen Sie?«
Sie bemühte sich um einen neutralen Ton. »Jeder Art.«
Er kniff den Mund zusammen. »Ihre Fantasien drehten sich um das maximale Strafmaß für Wiederholungstäter. Sie hatte keine sexuelle Vorstellungskraft. Und wenn wir schon dabei sind, kann ich gleich zu Protokoll geben, dass sie es am liebsten von Gesicht zu Gesicht, zweimal die Woche und mit einer Dusche hinterher mochte.« Er starrte sie an, um zu sehen, ob er sie schockiert hatte.
»War Sex etwas Schmutziges für Callie?«
Harding wurde noch bleicher. »Nein.«
»Hat sie sich selbst für schmutzig gehalten?«
Offenbar bestürzt fuhr er zurück. »Nein, was soll diese Frage, verdammt?«
»Ich will Sie nicht aufregen.«
»Callie schmutzig? Mein Gott, sie war wunderschön. Sie hatte ein Gesicht wie von Michelangelo gemeißelt. Und jetzt ist sie …« Er wandte sich ab und legte die Hand über
Weitere Kostenlose Bücher