Die beiden Nachtwächter
Köpfe, und wir
Nationalliberalen, bei uns bleibt Ammerstadt Ammerstadt
und Wummershausen Wummershausen.“
Dabei machte er eine energische Schwenkung und
wadete die Straße hinab. An der nächsten Ecke blieb er
stehen und drehte seine Schnarre:
„Zwei geschlagen! Lobt Gott den Herrn!“
Er arbeitete sich weiter durch den Schnee, die ganze
Gasse hinauf, und bog dann links ab.
„So, das ist die Wiesengasse, und da wohnt der Bäcker
Meinhold, den soll ich halb Drei wecken.“
Er zählte die Hausthüren ab, nannte bei jeder den Na-
men des Besitzers und pochte endlich laut und vernehm-
lich an eine derselben. Dann schnarrte er, daß es weithin
schallte und rief:
„Zwei geschlagen — heda, Meinhold — lobt Gott den
Herrn — ich bins, mach daß du aus den Federn kommst!“
„Was ist denn das hier für ein Mordspektakel am frühen
Morgen!“ ertönte eine zornige Stimme.
„Wer schreit denn da vorn so wie ein Nußknacker, he?
Packt Euch ruhig nach Hause, oder ich will Euch heim-
leuchten!“
„Heimleuchten? Wer denn? Glaubt Er denn, daß sich je-
der dumme Teufel bei uns hier herstellen, den Nachtwächter
spielen und ehrbare Leute aus dem Schlafe wecken darf?“
„Heiliger Knieriem, hat der Kerl ein Lästermaul! Na
warte, ich werde Ihm Mores lehren!“
„Mores lehren? Mir? Wer ist Er denn eigentlich?“ Damit
kam der Sprecher näher und blickte Hillmann ins Gesicht.
Dieser that mit ihm dasselbe und packte ihn dann sofort
beim Kragen.
„Halt, das ist ja der Bachmann, wie Er sich vorhin nann-
te! Kerl, da ist er wohl gar aus dem Gefängniß gebrochen?
Na, da hat er sich eine schöne Suppe eingebrockt, und es
ist nur gut, daß ich Ihn wiederhabe. Allons, jetzt werd ich
ihn ins Rathhaus führen; da giebts keine lockern Thüren!“
„Suppe eingebrockt? — wiederhabe? — ausgebro-
chen? — Ich verstehe Ihn doch gar nicht. Wer ist Er denn
eigentlich, he?“
„Wer ich bin? Na, so ’ne schauderhafte Frechheit! Habe
den Kerl vor einer Stunde erst eingewickelt, und jetzt fragt
er mich, wer ich bin!“
„Frechheit? Tausendsapperlot, das hat mir noch Nie-
mand gesagt! Kerl, ich arretire ihn. Komme Er mit!“
„Was? Er mich arretiren? Er ist wohl nun ganz und gar
übergeschnappt? Marsch!“
„Höre Er, was — — “
„Marsch, sage ich!“
„Was ich Ihm rathen — — “
„Marsch, oder soll ich etwa Gewalt brauchen?“
„Nun gut, ich balge mich nicht mit Ihm herum, aber
merke Er sich nur, daß Er sich an mir vergriffen hat und
nicht mit mir gegangen ist. Ich bin der Nachtwächter Bach-
mann, und Er hat mir Gehorsam zu leisten, wenn ich Ihn
mitnehmen will.“
„Heiliger Knieriem, marsch, sage ich, oder ich prügle
Ihn mit Seinem eignen Spieße aufs Rathhaus!“
„Gut, ich gehe mit, Er mag verantworten, was Er thut!“
„Darüber braucht Er sich gar keine Sorge zu machen!“
tröstete er und wandte sich noch einmal zurück: „Mein-
hold, hasts gehört? Ich kann mich nicht bis zum Charfrei-
tag herstellen!“
So schritten die Beiden also ihres Weges fürbaß. An ei-
ner der nächsten Straßen blieb Hillmann stehen, schnarrte
und rief sein:
„Zwei geschlagen — lobt Gott den Herrn!“
Da öffnete sich eine der Thüren, und ein Mann trat
hervor.
„Bachmann, was fällt Dir denn ein? ’s wird gleich Sechs
schlagen! Hast wohl jetzt auch ’ne Schnarre, wie der in
Ammerstadt?“
Es war ein Fleischer, der trotz des schlechten Wetters
mit seinem Hunde aufs Land gehen wollte. Er blieb stehen
und wunderte sich, daß er keine Antwort bekam und die
beiden Männer vielmehr ruhig weiter gingen.
„Daraus werde klug, wers begreifen kann! Eine Schnarre,
und jetzt erst um Zwei!“
Kopfschüttelnd ging er fort.
Die Worte des Mannes aber hatten Hillmann doch et-
was stutzig gemacht; er ging jetzt nicht mehr auf der Mitte
der Gasse, sondern hielt sich an den Häusern hin und be-
trachtete dieselben so genau wie möglich. Er wurde immer
mehr irre an sich, und da — da schlug es Sechs, und was
für eine Sechs!
„Heiliger Knieriem, hat das einen Ton! Aber was ist
denn das da auf einmal für eine Glocke? — doch nicht
etwa die Ammerstädter!“
„Habs Ihm ja gesagt, daß er in Wummershausen ist!“
„In Wummershausen? Er will mich wohl dumm machen,
he?“
„Fällt mir gar nicht ein. Das ist er ja schon mehr als ge-
nug! Da bleibe Er ’mal stehen und sehe Er sich diesen Was-
sertrog an! Kennt er den? Oder hat Er vielleicht in
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