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Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Titel: Die beiden Seiten der Münze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Ladan
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Sie hatte zu wenig Winterkleidung und das war eine Gelegenheit, etwas dagegen zu unternehmen. Lynn fuhr am Weg nach Hause in das nächst gelegene Einkaufszentrum. Dort schlenderte sie von Geschäft zu Geschäft. Dann betrat sie eine Boutique und sah sich um. Eine junge Verkäuferin stand hinter einem Tisch auf dem sie gerade Pullover sortierte. Lynn fiel auf, dass die Frau sehr jung und ungewöhnlich hübsch war. Sie hatte lange blonde Haare und eine perfekte Figur. Die Verkäuferin hatte Lynn nun bemerkt und bewegte sich mit wiegenden Schritten in ihre Richtung.
     
    „Kann ich etwas für Sie tun?“ Lynn fragte nach schwarzen Winterpullovern und Jeans. „Welche Größe?“ Die junge Frau musterte Lynn von oben bis unten. „42 oder 44 schätze ich mal, nicht wahr?“ Lynn nickte beschämt. Die Verkäuferin trug maximal Größe 36.
     
    Einige Pullover und Hosen wurden ihr zur Auswahl bereitgelegt, doch Lynn war die Freude am Einkaufen vergangen. Sie redete sich heraus, indem sie behauptete, dass ihr die angebotenen Kleidungsstücke nicht gefielen und verließ das Geschäft. Es war nicht das erste Mal, dass sie fluchtartig aus einem Geschäft lief. Sie sollte doch lieber wieder online einkaufen, das war lange nicht so unangenehm.
     
    Zu Hause schlüpfte sie in einen bequemen schwarzen Hausanzug  und machte es sich auf der Couch bequem. Sie dachte an die Rose und bekam vor Freude ganz rote und heiße Wangen. Lynn war noch nie umworben worden, es erfüllte sie mit geradezu euphorischer Freude. Vor dem Einschlafen dachte sie noch lange an Cedric.
     
    Auch die folgende Nacht war voller Träume. Lynn spazierte durch einen Rosengarten. Es war ein warmer Sommertag, nicht zu heiß, richtig angenehm. Bienen summten überall und es gab Rosen in allen Farben und Formen. Besonders schön war ein Strauch mit dunkelroten Blüten. Lynn näherte sich dem Rosenstrauch, um sich die Blüten aus der Nähe anzusehen. Sie beugte sich über die Zweige und nahm eine Blüte in die Hand, um die Details genauer erkennen zu können. Dabei stach sie sich in ihre Handfläche und begann zu bluten. Zuerst nur ein paar kleine Tropfen, dann quoll das Blut immer stärker und schwallartig aus ihrer Hand, bis es in Strömen hinab rann, sich auf der Erde sammelte und sich schließlich wie ein kleiner Bach wegbewegte. Alle Rosenbüsche, die mit dem Blut in Berührung kamen, verdorrten augenblicklich zu kleinen verkrüppelten braunen Gewächsen, die zischend auf der Erde verschrumpelten. Lynn starrte fassungslos auf das Geschehen und versuchte, den Blutstrom mit der anderen Hand zu stoppen, der aber immer stärker wurde. Die rote Flüssigkeit tropfte zwischen ihren Fingern hervor und zerstörte immer mehr der schönen Blumen. Lynn fühlte wie sie immer weiter auskühlte und fror erbärmlich.
     
    Als sie endlich erwachte, lag sie frierend ohne Decke im Bett, sie musste diese im Schlaf auf den Boden ihres Schlafzimmers geworfen haben. Ihr war schrecklich kalt und sie schlüpfte schnell in ihren warmen Bademantel. Sie zog die Decke wieder über sich und versuchte, sich aufzuwärmen. Viel Zeit war ohnehin nicht mehr, sie musste in einer halben Stunde aufstehen.
     
    Als der Wecker läutete, stand Lynn seufzend auf, gähnte und streckte sich. Erholsam war diese Nacht nicht gerade gewesen. Diese andauernden Träume waren kräftezehrend und machten ihr langsam zu schaffen.
     
    Gleich nach ihrer Ankunft im Büro rannte ihr Gabriela entgegen: „Hallo, ich freue mich schon so auf heute Abend! Was ziehst du an?“ Lynn wusste nicht, wovon ihre Kollegin sprach: „Was meinst du denn?“ Gabriela schüttelte den Kopf: „Mein Gott, Lynn – du bist schrecklich vergesslich. Heute Abend ist doch das jährliche Firmenfest beim Heurigen am Cobenzl!“
     
    Lynn begann sich zu erinnern. Ja, da war doch etwas, das war heute? Sie öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen als Gabriela sie sofort unterbrach: „Oh nein, mein Fräulein – so nicht. Absagen geht nicht. Erstens  hast du schon vor mehr als einem Monat zugesagt und zweitens weißt du wie sehr Herr Burgholzer es hasst, wenn man sich vor solchen Veranstaltungen drückt. Du kommst heute ganz bestimmt mit!“
     
    Gabriela sah Lynn mit gespielter Strenge an. Dann verlegte sie sich aufs Betteln: „Bitte, bitte, du musst mitkommen! Was soll ich denn da ohne dich? Ich brauche jemanden, mit dem ich über die anderen lästern kann und ich hab mir doch extra ein hübsches Kleid für heute Abend gekauft! 

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