Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
Außerdem wolltest du mit mir im Auto mitfahren, ich mag nicht alleine dort aufkreuzen.“
„Okay, ist gut! Ich komme mit. Ich hatte es nur vergessen.“ Gabriela strahlte über das ganze Gesicht. „Fein, das ist toll! Wann soll ich dich von zu Hause abholen? Das ist von deiner Wohnung ohnehin nicht weit, oder?
„Stimmt. Ich glaube, das fängt um 19 Uhr an. So um halb sieben wäre perfekt.“ Gabriela nickte: „Passt, bin rechtzeitig da“ und lief wieder zu ihrem Schreibtisch, auf dem das Telefon schon seit über einer Minute läutete.
Lynn verschwand in ihrem Büro und begann mit ihrer Arbeit. Sie hatte überhaupt keine Lust auf die Feier, aber Gabriela hatte Recht. Der Chef mochte es tatsächlich keine Absagen bei solchen Events. Wenn sie keinen Ärger wollte, sollte sie lieber hingehen.
Der Arbeitstag zog sich wie immer schrecklich in die Länge. Lynn fragte sich, was wohl passieren würde, wenn sie eines Tages vor Langeweile einschlafen und man sie mit dem Kopf auf dem Schreibtisch finden würde. Sie musste schmunzeln, als sie sich den Gesichtsausdruck ihres Chefs vorstellte.
Gegen Nachmittag stellte sie fest, dass sich die meisten weiblichen Kollegen schon am Nachmittag verabschiedeten. Einige gingen noch vor der Feier zum Friseur, andere wollten mehr Zeit für ihr Styling haben. Lynn beschloss, an diesem Tag, wie an jedem anderen bis 16:30 Uhr im Büro zu bleiben. Sie hatte trotzdem noch genug Zeit, nach Hause zu fahren und sich fertigzumachen.
Am Abend stand sie vor dem Badezimmerspiegel und betrachtete ihr Gesicht. Eigentlich sollte sie sich schminken. Das tat sie nur sehr ungern. Erstens sah sie ihrer Meinung nach mit Make Up auch nicht besser aus, sie fühlte sich eher angemalt, wie ein Clown, zweitens hatte sie die Angewohnheit, sich oft mit den Händen ins Gesicht zu greifen, was dann zur Folge hatte, dass die ganze Farbenpracht quer über das Gesicht verschmiert wurde.
Trotzdem griff sie zu einem dezenten Lippenstift und bemalte ihren Mund. Ein wenig Wimperntusche, fertig. Das musste reichen. Nun zum Schrank. Es wurde am Abend schon ein wenig kühl, also schnappte sie sich einen dunklen Gehrock, den sie über einen schwarzen Rollkragenpullover und eine dunkelgraue Hose zog. Nur noch die Haare zusammenbinden und sie war fertig.
Pünktlich läutete Gabriela an der Gegensprechanlage daraufhin lief Lynn die Stiegen hinab. Gabriela hatte sich in ein pastellfarbenes geblümtes Kleid gezwängt, das vor allem an der Taille etwas zu eng geraten war und mehr Speckröllchen zeigte als nötig. Sie schien ihre Haare mit Lockenwicklern behandelt zu haben, sie wickelten sich wie Faschingsgirlanden um ihren Kopf und erinnerten ein wenig an einen Clown.
„Na, wie sehe ich aus?“ Gabriela drehte sich um ihre eigene Achse und hatte Mühe wegen ihrer hohen Absätze aufrecht stehen zu bleiben. „Verdammte High Heels“ murmelte sie, dann strahlte sie Lynn fragend an. „Toll, sehr schick.“ zwang sich Lynn zu antworten. Wozu sollte sie Gabriela enttäuschen?
Die beiden fuhren die Höhenstraße Richtung Cobenzl hinauf und waren vom Wiener Wald rund um sie herum begeistert. Obwohl es bereits dunkel wurde, war das Leuchten der Blätter in verschiedenen herbstlichen Farben, von hellem Gelb über verschiedene Orange- und Rottöne bis zu dunklem Grün, noch zu erahnen. Man konnte eine Vorstellung davon bekommen, wie schön der Indian Summer an der amerikanischen Ostküste sein musste.
Sie erreichten schließlich den Parkplatz am Cobenzl und Gabriela fand nach einigem Suchen einen Parkplatz. Die beiden stiegen aus dem Wagen und sahen den Heurigen schon von weitem. Sie betraten den Gastgarten und sahen sich um. Die Kollegen aus dem Büro waren aufgrund der Lautstärke, die sie produzierten, leicht zu finden.
Der Boden war dick mit Kies bestreut und Gabriela hatte alle Mühe, die kurze Strecke vom Eingang bis zu ihrem Tisch mit ihren Stöckelschuhen hinter sich zu bringen ohne hinzufallen. Lynn nahm ihren Ellbogen mit einem festen Griff und gemeinsam schafften sie den Weg ohne allzu oft zu stolpern.
Gabriela ließ sich mit einem lauten Aufseufzen auf einen freien Sessel fallen und musterte die anderen Anwesenden. Lynn saß neben ihr. Gabriela schnappte sich gleich ein leeres Glas und schenkte sich Weißwein aus einer vollen Karaffe am Tisch ein.
„Du weißt schon, dass du noch Autofahren musst?“ „Aber ja, kein Problem. Ich weiß schon wie viel ich
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