Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
Ohne das bin ich nichts.“
„Was redest du denn da für Blödsinn?“ Therese schüttelte den Kopf. „Du bist doch nicht nichts. Ich mag dich genauso wie du bist. Du bist nur einsam.“
Sie tranken noch den Rest der Weinflasche und redeten bis in die Nacht hinein.
„Du nimmst immer alles viel zu ernst.“ Therese hatte bereits ihren Pyjama angezogen und hockte im Schneidersitz auf der Couch. Lynn zündete sich eine weitere Zigarette an. „Komm, gib mir auch eine.“ Therese streckte die Hand aus. „Du rauchst doch überhaupt nicht.“ Lynn war verwundert. Therese lachte: „Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen!“ Sie zwinkerte: „Stimmt, normalerweise rauche ich nicht, aber manchmal mache ich auch Ausnahmen von der Regel.“
„Ich nehme nicht alles zu ernst“ kam Lynn wieder auf die Aussage ihrer Freundin zurück. „Und ja, ich fühle mich oft alleine. Aber ich kann nicht verstehen was mit mir los ist, wenn ich so etwas zulasse.“
„Das liegt daran, dass du ein Mensch bist, der zulässt und nicht selbst steuert. Das war immer schon so, erinnere dich nur an unsere Schulzeit. Du warst eben immer schon eher der passive Typ. Das ist ja auch nichts Schlechtes, man muss nur eben ein wenig auf dich aufpassen, damit du nicht an solche Typen wie Cedric gerätst. Denen hast du nichts entgegenzusetzen. Aber dafür hast du ja mich.“
Therese zog Lynn zu sich und umarmte sie. „Du wirst sehen, das wird schon wieder.“
Als Lynn die Couch für ihre Freundin zum Bett auszog, sah sie sie an: „Danke dass du bei mir bleibst. Mir geht es schon viel besser. „Und damit du morgen auch abgelenkt bist, unternehmen wir etwas Schönes. Morgen gibt es ein nettes Mittelalterfest in der Nähe von Korneuburg mit Blick auf die Burg Kreuzenstein. Das wird dir gefallen.“ Lynn nickte, das klang gut.
In dieser Nacht schlief Lynn sehr unruhig. Sie träumte von blutigen, zerfetzten Körpern, Strömen von Blut und Tod und mitten drin war er. Er schien das Chaos um sich herum gar nicht zu bemerken, Lynn allerdings merkte, dass ihr von dem Gestank des Blutes und der Leichen schwindelig und übel wurde. Sie dachte daran, dass sie hier auf gar keinen Fall ausrutschen und hinfallen konnte ohne all die toten Leiber zu berühren. Das wollte sie auf gar keinen Fall. Er bedeutete ihr, näher zu kommen und gegen ihren Willen setzte sie einen Fuß vor den anderen. Schließlich fühlte sie, wie sie mit dem Fuß auf etwas Weichem ausglitt und zu fallen drohte. Kurz vor dem Aufprall erwachte sie mit einem lauten Schrei.
Lynn hatte am Morgen starke Kopfschmerzen als sie erwachte. Sie wusste nicht genau, was der Grund dafür war, ob es am Weinen, an ihrem Albtraum oder am Alkohol lag. Aber ein oder zwei Aspirin würden ihr sicher helfen. Als sie sich ihren Morgenmantel über das ausgeleierte Schlaf-T-Shirt gezogen hatte, wankte sie noch halb benommen ins Wohnzimmer. Therese schien halb bewusstlos zu sein und zog sich ihren Polster über den Kopf als sie Lynn hereinkommen hörte. „Bleib liegen, ich mache uns mal Kaffee“ murmelte Lynn.
Als beide ihren ersten Kaffee getrunken und Lynn eine Tablette genommen hatte, fühlten sich beide schon wohler. „Na, wir sind vielleicht zwei traurige Gestalten“ grinste Therese. „Stimmt auffallend!“ Frisch geduscht und nach einer weiteren Tasse Kaffee machten sie sich auf den Weg. Therese's kleines Auto war in der Nähe geparkt. Zuerst mussten sie den Kindersitz in den Kofferraum befördern, der ohnehin schon mit Spielzeug aller Art und einem kleinen Dreirad angefüllt war. Dann gab Therese Gas und sie fuhren Richtung Korneuburg. Unweit des Stadtzentrums entdeckten sie Hinweisschilder „zum Mittelalterfest“. „Ha, ich wusste doch, dass ich das auch ohne Navi finden werde“ triumphierte Therese. Lynn nickte müde, sie hätte nie im Leben hierher gefunden.
Das Fest war schon in vollem Gange. Auf einer kleinen Bühne spielte eine tschechische Band mittelalterliche Musik mit Trommeln, einer Art Flöte und einem Dudelsack. Alle vier Musiker trugen Schnabelschuhe und bodenlange Röcke aus Leder. Lynn mochte die Musik und erstand eine CD.
Das würde beim Lesen eine tolle Background-Musik abgeben.
Die beiden Frauen spazierten über den ganzen Mittelaltermarkt. Da gab es Marktstände mit Kleidern, Blusen und Korsagen, jede Menge Schmuck, Taschen sowie Schwerter und Äxte, die jeden Ritter zum schwärmen gebracht hätten. Dazwischen Gaukler und
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