Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
er stöhnend in ihr gekommen war, lagen sie wortlos da. Er sah ihr in die Augen und sein Blick war noch genauso fordernd wie zuvor. Lynn fragte sich, ob er noch einmal mit ihr schlafen wollte. Doch das wollte er nicht.
Es war die Nacht, in der Lynn zum ersten Mal gebissen wurde.
Sie spürte seinen Mund an ihrem Hals und völlig unerwartet durchzuckte sie ein brennender Schmerz als er seine Zähne in ihre Haut schlug. Sie erschrak und wollte sich unter ihm herauswinden, er hielt jedoch ihre Hände fest und trank Schluck um Schluck von ihrem Blut. Lynn blieb wie erstarrt liegen und begann am ganzen Körper vor Angst zu zittern. Es war, als ob sie sich selbst von außen zusehen könnte und sie dachte fieberhaft nach, was sie da eigentlich gerade geschehen ließ.
Schließlich ließ Cedric endlich von ihr ab, wischte sich mit dem Handrücken über den blutverschmierten Mund und setzte sich auf. Schweigen folgte. Lynn wimmerte, ihr Hals tat schrecklich weh. „Was hast du mit mir gemacht?“ fragte sie panisch. Sie beherrschte sich, um nicht hysterisch zu werden. „Ich muss hier raus“ dachte sie. Er starrte sie an, der hungrige Ausdruck in seinen Augen war verschwunden. Sein Gesicht sah völlig ausdruckslos aus. „Nichts Besonderes, reg dich nicht auf“ meinte er. „Ich soll mich nicht aufregen?“ Lynn war fassungslos. Seit wann war es denn normal jemanden zu beißen? Und noch dazu das Blut dann zu trinken...
Lynn raffte schnell ihre Sachen zusammen. Sie versuchte das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu bekommen. So schnell es ging, zog sie ihre Kleidung an und lief hinaus. An der Tür blickte sie noch kurz zurück und sah Cedric immer noch regungslos auf der Bettkante sitzen und vor sich hinstarren. Er würdigte sie keines Blickes.
Lynn war völlig außer sich und musste sich auf der Straße erst mal kurz orientieren. Sie rannte weiter in Richtung Straßenbahn, erwischte gerade noch eine, die gleich abfuhr. Schwer atmend ließ sie sich zitternd auf einen freien Sitz sinken. Sie hatte kaum bemerkt, dass Tränen schon die ganze Zeit ihre Wangen hinabliefen. Sie hatte ja gewusst, dass das alles falsch gewesen war, sie hätte niemals mitgehen, sich nicht einmal mit Cedric treffen dürfen. Falsch, völlig falsch – nicht nur der Biss, der war nur der Höhepunkt einer langen Reihe falscher Entscheidungen.
Als sie ihre Wohnung betrat, sank sie gleich im Vorzimmer auf den Boden, kauerte sich zusammen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Wie ein brutaler gemeiner Zwilling hämmerten die Gedanken in ihrem Kopf. Jämmerlich, so schrecklich jämmerlich war das. Wider besseres Wissen hatte sie sich widerstandslos gefügt nur weil man ihr geschmeichelt hatte. Weil sie sich so lange nach Berührungen gesehnt hatte. Hatte sie wirklich geglaubt, dass sie in eine Lovestory verwickelt wäre? Dass sie einen Kavalier gefunden hätte, der echtes Interesse an ihr hätte? Schon seine ganze Art hatte laut und deutlich dagegen gesprochen. Eigentlich sollte sie gar nicht überrascht sein, das Desaster hatte sich schon seit dem ersten Gespräch abgezeichnet.
Nun endete es wie so vieles in ihrem Leben. Lynn tat sich selbst unheimlich leid und hasste sich dafür. Sie wusste nicht wie lange sie da so auf dem Vorzimmerboden gesessen hatte. Plötzlich spürte sie wie Merlin um ihre Beine strich und seinen Kopf an ihr rieb. Das erinnerte Lynn daran, dass sie sich einen Ruck geben musste, sie hatte ja ein Leben. Das war kein Weltuntergang, sie würde es wegstecken.
Sie nahm Merlin auf den Arm und streichelte ihn bis er schnurrte. Dann trug sie ihn in die Küche. „Wollen mal sehen, was wir hier für dich zu fressen haben.“ Sie fütterte den Kater und ging ins Klo weil ihr übel wurde. Lynn übergab sich und würgte das ganze Abendessen wieder aus. Danach fühlte sie sich leichter, als ob damit ein Teil des heutigen Abends verschwunden wäre. Jetzt noch eine Dusche, auch das würde helfen.
Als sie im Badezimmer in den Spiegel schaute, erschrak sie. Sie war extrem blass, ihre Augen waren vom Weinen total verquollen und ihre Wimperntusche über das ganze Gesicht verlaufen. Am schlimmsten sah allerdings der Hals aus. Die Bisswunden, rote Male, sahen entzündet aus und waren mit getrocknetem Blut verschmiert. Lynn tastete die Stelle vorsichtig ab. Es tat ziemlich weh. Fürs Erste musste sie dafür sorgen, dass niemand die Male zu Gesicht bekam. So etwas konnte man schlecht erklären.
Lynn duschte
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