Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
Trottel?“ schimpfte sie und hievte sich zurück ins Bett. An weiteren Schlaf war nicht mehr zu denken. Lynn sah bis zum Morgen fern und stand kurz vor dem Läuten des Weckers auf.
Die morgendliche Dusche nahm wieder ziemlich viel Zeit in Anspruch. Lynn hatte das dringende Bedürfnis, sich immer und immer wieder zu schrubben und zu waschen. Das Gefühl von Sauberkeit stellte sich jedoch trotzdem nicht ein.
Montag, wieder ab in die Tretmühle. Nichts hätte sie im Moment weniger interessieren können als die Buchhaltung ihrer Klienten. Aber von irgendetwas musste der Mensch ja nun mal leben und Buchhaltung war ein Job wie jeder andere auch.
Der Vormittag verlief relativ ereignislos. Lynn verbrachte die Mittagspause mit Sven, sie aßen in einem chinesischen Restaurant in der Nähe des Büros. „Alles in Ordnung mit dir?“ fragte Sven kauend. „Klar, warum?“ wollte Lynn wissen. „Du siehst in letzter Zeit müde aus“ antwortete er. Sven war verheiratet, Vater von dreijährigen Zwillingen, Besitzer von Häuschen und Garten sowie einem Hund und war permanent gestresst. Lynn grinste. „Nicht müder als du“ neckte sie ihn. „Ich habe auch allen Grund dazu“ brummte er. „Nicht genug, dass meine Familie enorm anstrengend ist, meine Schwiegermutter den jährlichen Besuch auf unbestimmte Zeit ausdehnt und unsere Heizung den Geist aufgegeben hat, quält mich der Chef auch noch mit den unmöglichsten Sachen. Er hat es fürchterlich eilig mit der neuen Software – ach ja, morgen Früh kommt jemand von der EDV-Firma für eine erste Schulung. Ich hatte fast vergessen, es dir zu sagen. Du bist morgen doch im Haus, oder?“ Lynn nickte: „Klar, ich bin da.“
Endlich war der Arbeitstag vorüber. Lynn war froh, aus dem Büro zu kommen. Sie hatte heftige Kopfschmerzen und wollte so rasch wie möglich nach Hause. Es hatte begonnen zu regnen und sie zog einen kleinen Schirm aus ihrer Handtasche. Lynn war gerade im Begriff, ihn zu öffnen, als ihr der Schirm aus der Hand genommen wurde. Cedric öffnete ihn und hielt ihn über ihre beiden Köpfe. „Was machst du denn hier?“ Lynn geriet etwas in Panik. „Nachdem du gestern Abend nicht alleine warst, wollte ich nicht stören. Also dachte ich, es wäre nett, dich von der Arbeit abzuholen.“ „Nett? Es wäre nett!?“ Lynn war nach ihrem letzten Zusammentreffen von seiner Art, nette Konversation zu machen, entsetzt.
„Du musst nicht schreien, ich höre ausgezeichnet“ meinte er in aller Seelenruhe. Er legte ihren Arm in den seinen und zog sie mit sich. Lynn sah sich um. Hier waren jede Menge Leute, es konnte ihr gar nichts passieren. Also konnte sie auch gleich ihre Neugierde befriedigen. „Kannst du mir bitte sagen, was das mit dem Biss sollte?“ „Dein Blut riecht nicht nur gut, sondern schmeckt auch.“ „Das ist Deine Erklärung? Das ist alles?“ Lynn war vollkommen verwirrt. Entweder sie war verrückt geworden oder Cedric war reif für die Irrenanstalt.
„Ist eine Art Fetisch“ erklärte er. „Ich mache das eher selten aber in Deinem Fall konnte ich mich nicht beherrschen. Es kommt vor, dass ich die Kontrolle verliere, ich sehe ein, ich hätte dich warnen sollen.“ „Was soll das heißen – in meinem Fall?“ wollte Lynn wissen. „Von so einem Fetisch habe ich noch nie gehört. Blut? Wie ein Vampir?“ Lynn ekelte sich vor Blut, auch vor ihrem eigenen.
„Ich mache es wieder gut. Bitte vertraue mir, mir liegt wirklich viel an dir und ich verstehe, wenn du mit mir ein Problem hast. Gehen wir einen Kaffee trinken, nur Kaffee – sonst nichts, nur reden, okay?“ Cedric sah sie bittend an. Statt ihrem ersten Impuls nachzugeben und abzulehnen, zögerte sie. Er nahm das anscheinend als Zustimmung und dirigierte sie in Richtung des nächst gelegenen Cafés. Der Regen war stärker geworden und als sie im Café ankamen, waren beide trotz Schirm völlig durchnässt.
Beide bestellten Kaffee und Lynn wartete. Dieses Mal musste etwas von ihm kommen. Cedric räusperte sich. „Das ist nicht so leicht zu erklären. Ich bin eigentlich nicht so der emotionale Typ“ sagte er. „Aber Blut ist essentiell, es ist etwas, das man normalerweise nicht bekommt. Etwas, das man freiwillig nicht hergibt, die Basis der Energie, des Lebens. Das ist das Maximum dessen, was man von einem anderen Menschen bekommen kann. Alles andere ist im Prinzip leicht zu kriegen. Sex ist okay, aber sozusagen nur das Vorspiel. Ich will nicht nur das was
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