Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
denkt sie wahrscheinlich anders darüber.“
„Nein danke, kein Bedarf. Ich muss jetzt los.“ Er stand auf und ließ Lynn ratlos zurück.
Diese Nacht bescherte ihr wieder Träume voller Blut. Sie stand wieder vor einem Spiegel, über und über mit Blut überströmt. Sie sah auf ihre blutigen Hände und wusste, das Blut war dieses Mal nicht ihr eigenes. Ihre Hände sahen fremd aus, voller Flecken und Falten wie die Hände einer uralten Frau. Lynn hob den Blick und im Spiegel sah sie nicht sich selbst. Da stand Cedric. Er hatte nur ein wenig Blut an den Lippen und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. An ihm war sonst kein Blutstropfen zu sehen .Lynn wollte fragen warum sie voller Blut war, brachte aber keinen Ton heraus. Er begann wissend zu lächeln und schüttelte den Kopf.
Mit einem Ruck erwachte sie. Sie setzte sich im Bett auf und sah auf die Uhr. Bereits fünf Uhr Morgen. In einer Stunde musste sie ohnehin aufstehen und an Schlaf war nicht mehr zu denken. Der Traum war sehr real gewesen und steckte ihr immer noch in den Knochen. Lynn erinnerte sich daran, dass sie heute das erste Gespräch mit der EDV-Firma haben würde und sie sich besser etwas seriös geben sollte.
Nach einer erfischenden Dusche öffnete sie ihren Schrank. Sie holte ein dunkelblaues unauffälliges Kleid heraus und zog es an. Lynn bemerkte, dass sie das Kleid so nicht anziehen konnte, es war rundum viel zu weit und hing an ihr wie ein Kartoffelsack. Das war ihr völlig unverständlich, so schnell konnte sie gar nicht so viel abgenommen haben. Da versuchte man jahrelang erfolglos, wenigstens ein paar Kilos loszuwerden und jetzt purzelten sie von ganz alleine. Vielleicht sollte sie doch einmal eine generelle Überprüfung ihrer Gesundheit vom Arzt machen lassen.
Aber jetzt war keine Zeit für solche Überlegungen. Sie suchte schnell etwas anderes und machte sich für die Arbeit fertig.
Im Büro angekommen blieb ihr noch genug Zeit, um ihre Emails abzufragen und einen Teil davon zu beantworten bevor ihre Besprechung begann.
Pünktlich erschien Max, der Mitarbeiter des Softwareunternehmens bei ihr. Lynn fand ihn sehr sympathisch und die beiden hatten einen guten Draht zu einander. Ihre Besprechung dauerte fast den ganzen Tag, Lynn konnte mit Max ein gutes Konzept erarbeiten. Die neue Software war um einiges umfangreicher als Lynn gedacht hatte. Sie ging an diesem Abend mit einem guten Gefühl nach Hause. Der Tag war erfolgreich gewesen.
Jetzt stand noch der nächste Termin bei Dr. Wögerer auf dem Prog ramm. Lynn musste dieses Mal nicht warten, sie wurde sofort in den Raum geführt, in dem sie das letzte Mal mit dem Therapeuten gesprochen hatte. An der Tür kam er ihr schon entgegen.
„ Schön, Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihnen?“ Lynn setzte sich. „Danke. Wie es mir geht? Ehrlich gesagt, nicht so gut.“
„Dann erzählen Sie einfach einmal, was Sie seit unserem letzten Termin so gemacht haben.“ Er beugte sich nach vorne und sah sie interessiert an.
„Mein Exmann ist gestorben, das heißt, eigentlich wurde er umgebracht.“
„Tut Ihnen das leid? Vermissen Sie ihn?“ Lynn verneinte energisch. „Nein, gar nicht. Ich meine, natürlich tut es mir leid dass er tot ist. Ich kann es irgendwie noch gar nicht glauben. Aber ich vermisse ihn nicht. Schon lange nicht mehr. Auch nicht zu der Zeit als wir noch verheiratet waren. Martin hatte sich sehr bald nach unserer Hochzeit von mir emotional entfernt. Wir waren uns nach einigen Jahren völlig fremd. Ich habe anfangs darunter gelitten, das tat weh. Ich hatte eigentlich gehofft, dass ich jemanden gefunden hätte, der mich mag so wie ich bin. Ich hätte mir denken können, dass das nicht klappen kann. Er hat sich immer überlegen gefühlt und mich das deutlich fühlen lassen. Ich kann ihm deswegen gar nicht böse sein, Respekt muss man sich verdienen. Das kann ich nicht. Das letzte Mal, als ich von ihm gehört habe, haben wir uns gestritten.“
Dr. Wögerer sah sie an. „Fühlen Sie sich deshalb schlecht?“ Lynn antwortete: „Kann ich nicht sagen, eher schockiert oder überrascht.“
„Wir kommen später noch einmal darauf zurück. Was war sonst noch los?“
„Cedric war wieder da. Sie wissen doch noch, wen ich meine?“ Er nickte. „Er sagt, dass wir zwei Seiten einer Münze sind. Dass es keinen von uns beiden ohne den anderen geben kann. Dass mein Blut auch seines ist.“
„Wissen Sie was er damit
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