Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
wenn sie einen Freund hat?“ Alex grinste: „Wer auch immer er ist, er ist sicher nicht gut genug für sie.“
Lynn konterte: „Aber du schon? Du hinterlässt reihenweise gebrochene Herzen. Die Jagd ist ein gutes Beispiel gewesen. Das ist alles, was dich wirklich interessiert, auf die Jagd zu gehen. Wenn das „Wild“ erlegt ist, findest du immer ein Haar in der Suppe und machst Schluss.“ Alex sah sie wie ein schuldbewusster Lausbub an: „Gar nicht wahr. Bisher war nur die Richtige noch nicht dabei.“
„Erzähl mir keinen Blödsinn, du suchst nicht nach der Richtigen, sondern immer nur nach Beute.“ Lynn kannte ihren Freund viel zu gut, um ihm die Unschuldsnummer abzukaufen.
„Aha – erwischt! Bei mir siehst du das, weil du objektiv bist, bei dir selber aber nicht. Glaubst du wirklich, du bist etwas anderes als Beute für Cedric?“
„Wahrscheinlich bin ich auch nur Beute, stimmt. Aber normalerweise bin ich nicht einmal das...“ setzte Lynn hinzu. „Warum machst du das eigentlich? Sind diese andauernden Aufrisse und Abenteuer so befriedigend? Emotional meine ich, der sexuelle Aspekt ist klar.“
„Vermutlich nur, dass ich mir immer wieder beweise, dass ich es kann. Je schwieriger das Zielobjekt zu haben ist, desto befriedigender ist es, wenn die Beute erlegt ist. Das zeigt mir, dass mein jungenhafter Charme immer noch wirkt.“
„Ich verstehe das schon. Aber du weißt nicht wie es ist, wenn man gar nicht ankommt. Wenn man quasi nicht wahrgenommen wird. Es ist manchmal so, als ob ich nur dann existieren würde, wenn ich unangenehm auffalle. Man hört immer wieder von Leuten, die schon seit längerer Zeit tot in ihrer Wohnung liegen und niemandem ist aufgefallen, dass sie verschwunden waren. So fühle ich mich oft. Die meisten Menschen scheinen ein ausgefülltes Leben zu haben, Familie, Kinder, Hobbies, einen großen Freundeskreis und Sexualpartner. Für mich bleibt irgendwie nie etwas über. Verstehe mich nicht falsch, ich weiß die Freundschaft zu dir und Therese sehr zu schätzen und ich kann mein eigenes Gejammere ja auch kaum ertragen. Dennoch ist mein Leben leer und ich habe nicht die Kraft, etwas daran zu verändern. Und dann ist da jemand, der wie eine Naturgewalt in all das einbricht. Das ist der Punkt.“
„Naturgewalt trifft es genau. Aber ein Tsunami oder ein Vulkanausbruch ist nichts Gutes, sondern gefährlich. Ich glaube, du spielst da mit dem Feuer. Was machst du, wenn er dich abserviert? Wenn du dich so daran klammerst, was wird aus dir, wenn er weg ist, wenn es diese Naturgewalt für dich nicht mehr gibt?“
Lynn schüttelte den Kopf: „Keine Ahnung. Ich weiß es wirklich nicht.“
Sie schwiegen einige Minuten bis Lynn meinte: „Komm, lass uns gehen, es ist spät.“
Alex brachte sie nach Hause. „Du rufst mich an, wenn du mich brauchst. Versprich es mir.“ Er umarmte Lynn und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ja, mach ich, verlass dich drauf.“ Lynn drehte sich um und ging hinauf in ihre Wohnung.
Das Wochenende zog sich in die Länge. Lynn wusste nichts mit sich anzufangen. Cedric meldete sich nicht und sie wollte ihn auch nicht anrufen. Etwas von dem was Alex gesagt hatte, geisterte immer wieder durch ihre Gedanken – was, wenn Cedric so plötzlich wieder verschwand wie er aufgetaucht war? Wie würde sie damit klarkommen? Sie musste unbedingt wieder ein wenig Distanz bekommen und anfangen sich auf ihr eigenes Leben zu konzentrieren. Da momentan nichts anderes anlag, sollte sie zuerst den Job in Angriff nehmen. Gerade jetzt, bei diesem neuen EDV-Projekt konnte sie sich selbst beweisen, dass sie etwas konnte.
Lynn arbeitete an den beiden freien Tagen an ein paar Ideen, die sie gerne in der Archivierung umgesetzt hätte und brachte diese in einem Textfile schriftlich in Form. Sie würde dies gleich am Montag bei der ersten Besprechung mit der Software-Firma ansprechen.
Am Sonntagnachmittag wusste Lynn endgültig nicht mehr, wie sie sich sinnvoll beschäftigen sollte. Sie hatte die kleine Wohnung aufgeräumt und geputzt, hatte eingekauft und sich auf den Montag vorbereitet. Im Fernsehen lief nichts Interessantes. Sie hatte einige Bücher angefangen und wieder beiseite gelegt. Ihr war nicht nach Lesen. Sie wusch noch eine Ladung Wäsche und hängte sie im Badezimmer zum Trocknen auf. Als sie das Badezimmer verließ, spürte sie ein eigenartiges Kribbeln unter ihrer Kopfhaut. Sie wusste schlagartig, er war
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