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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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an dich, Robbie. Fang nicht wieder mit dieser Nummer an.«
    »Welcher Nummer?«, fragte Robbie.
    »Dieser Nummer, dass du dir einbildest, du wüsstest alles, und dass du für jeden Fragen beantwortest, selbst die, die nicht an dich gerichtet sind«, antwortete Carmen. »Norrie ist alt genug, um für sich selbst zu sprechen – das bist du doch, Norrie, oder?«
    Sie lächelte, aber ihre Schneidezähne ließen mich plötzlich an Wolfszähne denken.
    »Natürlich«, erwiderte ich. Ich musste aufhören, das schüchterne kleine Mädchen zu spielen, sonst würden mich Leute wie Carmen bei lebendigem Leib verspeisen. »Robbie und ich sind befreundet.«
    »Wie habt ihr euch kennengelernt?«, fragte Carmen.
    »Bei einem Kurs an der Hopkins«, antwortete ich.
    »Aha? Bist du an der Hopkins?«
    »Nein.«
    »Was hast du dann dort gemacht?«
    »Was ist das, ein Verhör?«, mischte sich Robbie ein.
    »Ich bin einfach nur neugierig auf deine neue Freundin, Robbie«, erwiderte Carmen.
    Robbie sah sie finster an. Zwischen ihnen knisterte es – da war irgendeine Geschichte, von der ich nichts wusste. Ich hatte gehofft, wenigstens als Erstsemester durchzugehen, aber Carmen schien die Wahrheit über mich bereits zu wissen. Sie wollte sie nur aus meinem Mund hören. Damit ich wusste, dass sie Bescheid wusste, und damit Robbie wusste, dass sie Bescheid wusste.
    »Es ist ein Abendkurs.« Ich zögerte, die Demütigung noch weiter zu treiben – nicht mal ein Abendkurs in, sagen wir, ›Existenzialismus‹ oder ›Teilchenphysik‹, sondern … »Schnelllesen«, sagte ich.
    »Schnelllesen! Ihr müsst ja mittlerweile die totalen Asse sein. Soweit ich mich erinnere, liest Robbie sowieso schon ziemlich schnell.«
    »Ich wollte noch schneller werden«, erklärte Robbie.
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Carmen. »Noch Wein?« Sie füllte unsere Gläser nach. »Robbie, wie heißt dieses Mädchen von Josh, erinnerst du dich? Shawn oder Sinead oder so was?«
    Robbie plauderte es aus: »Norrie kennt sie. Wie heißt sie?«
    »Shea.«
    Carmens Wolfsgrinsen wurde breit und triumphierend. »Ich hab dich zwar noch nie zuvor gesehen, aber du scheinst dich ja wirklich auszukennen. Hast du Shea auch beim Schnelllesen kennengelernt?«
    »Wir gehen auf dieselbe Schule«, räumte ich ein. »Aber wir sind nicht befreundet oder so. Ich kenn sie kaum.«
    »Was du nicht sagst. Tu nicht so versnobt, Norrie. Du hast mehr mit Shea gemeinsam als mit sonst jemandem in diesem Raum.« Sie stand schnell mit der Weinflasche auf, um jemandem nachzuschenken.
    »Tut mir leid wegen Carmen«, entschuldigte sich Robbie. »Sie kann ein ziemliches Miststück sein.«
    Ich stand auf, um zur Toilette zu gehen. Shea und Josh kamen gemeinsam aus dem Badezimmer und rieben sich die Nasen. Bei meinem Anblick strahlte Shea und tat, als wären wir die besten Freundinnen.
    »Norrie! Was machst du denn hier?«
    »Hi, Shea. Dasselbe wie du vermutlich.«
    »Dein Freund ist süß! Josh sagt, er soll sehr klug sein.«
    »Er ist nicht mein Freund, nicht ganz –«
    »Was willst du damit sagen? Ich hab gesehen, wie er den Arm um dich gelegt hat, als ihr am Tisch saßt. Was machst du hier mit ihm, wenn er nicht dein –« Eine Erinnerung huschte über ihr Gesicht. »Moment mal – Brooks. Bei Gornicks Party warst du mit Brooks zusammen, und jetzt bist du mit diesem Typen hier …«
    Seit ich sie kannte – und ich kenne sie seit der siebten Klasse –, hatte ich Shea noch nie so gesprächig erlebt. In der Schule kaut sie immer Kaugummi und versteckt sich hinter ihren Haaren und sitzt krumm da, als wolle sie von niemandem gesehen werden. Auf Partys, wenn Jungs dabei sind, lässt sie nur ihren Körper sprechen. Doch hier, in dieser exotischen Welt erwachsener Menschen, die mich einschüchterten, war sie mit einem Mal aufgekratzt und süß. Kein Wunder, dass sie lieber mit älteren Typen zusammen ist , dachte ich, es ist, als würde sie sich lebendiger fühlen .
    »Ich bin bloß mit Robbie unterwegs«, erklärte ich.
    »Weißt du, was? Ich hätte wirklich gern noch ein Glas Wein«, sagte Shea. Sie wankte zum Küchentresen, auf dem der Wein stand. Josh folgte ihr auf den Fersen.
    Als schließlich Carmens selbst gebackene Gewürzkekse herumgereicht wurden, lief die Musik lauter, die Fenster standen offen und einige Gäste wiegten sich in einer Ecke des Raums. Shea und Josh hatten sich auf einem Ende der langen orangefarbenen Couch niedergelassen und knutschten, als gäbe es die anderen

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