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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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Fliege in einem seiner alten Tweedanzüge, Ginger in einen Nerz gewandet und mit knallrotem Lippenstift. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie bei Katyas Vernissage sein könnten, aber eigentlich hätte ich es mir denken können. Manchmal vergesse ich, dass die mittelalterlichen Artefakte, mit denen Daddy-o arbeitet, und Werke wie Katyas Video Teil derselben Welt sind.
    »Oh, sieh mal einer an, wer ist denn da!«, begrüßte uns Daddy-o auf seine joviale Art. »Ich wusste gar nicht, dass du dich in der Kunstszene rumtreibst, Schätzchen.«
    »Mit wem bist du hier?«, wollte Ginger wissen. »Claire?«
    Sie lächelten zwar automatisch, als sie mich, ihre bezaubernde Tochter, sahen, doch als sie den jungen Mann neben mir wahrnahmen und ihnen bewusst wurde, dass es sich weder der Gestalt noch der Form nach um Claire handeln konnte, schienen sie ein bisschen irritiert.
    »Liebes, wer ist denn dein Freund?«, flötete Ginger.
    Ich besann mich auf meine guten Manieren. »Ginger, Daddy-o: Das ist Robbie. Robbie, das sind meine« – schluck – »Eltern.«
    Robbie schüttelte Daddy-os Hand. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.«
    »Robbie wer , Schatz?«, hakte Ginger nach.
    »Pepper«, antwortete Robbie. »Robinson Pepper.«
    Endlich ergriff Ginger seine Hand. »Wie nett, Sie kennenzulernen.«
    »Was haltet ihr von der Ausstellung?«, fragte Daddy-o. »Lohnt es sich, wenn wir uns in dieses Getümmel stürzen, oder sollten wir einfach kehrtmachen und essen gehen?«
    »Sie ist gut«, erklärte ich.
    »Definitiv einen Blick wert«, fügte Robbie hinzu. Zufrieden stellte ich fest, dass er nicht die Fassung verlor, weil er plötzlich meinen Eltern gegenüberstand. Er war ihnen ebenbürtig und die Lässigkeit in Person.
    »Hättet ihr Lust, mit uns essen zu gehen, wenn wir uns umgeschaut haben?«, fragte Daddy-o. »Wir gehen nur ins Prime Rib, aber ich wage zu behaupten, dass es dort immer noch die besten Steaks gibt.«
    Oh, nein. Um Himmels willen nicht.
    »Wir können nicht«, platzte ich heraus.
    »Wir sind bei einer Freundin zum Abendessen eingeladen«, erklärte Robbie.
    Ginger zog eine ihrer überzupften Augenbrauen hoch. »Ach? Eine Freundin? Und dabei handelt es sich vermutlich nicht um Miss Claire Mothersbaugh, nehme ich an?«
    »Um wen?«, fragte Robbie.
    »Nein, Ginger, sie ist eine Freundin von Robbie. Aber keine Sorge, ich komm schon nicht so spät nach Hause.«
    »Wer spricht von Sorge?«, sagte Daddy-o. »In dieser Stadt kann man nicht lange ausgehen, egal, was man anstellt. Nach zwei ist sowieso alles geschlossen!« Er schob Ginger weiter in die überfüllte Galerie hinein. »Bis gleich.«
    Oh, nein, auf keinen Fall. Ich winkte ihnen zu und wir traten hinaus in die eisige Nachtluft, die stechend nach Rauch und Abgasen roch.
    »Gut, so viel dazu«, sagte ich. »Hier können wir nicht bleiben. Wir müssen so schnell wie möglich weg.«
    »Aber das Essen bei Carmen fängt erst in einer Stunde an.«
    »Wir schlagen die Zeit tot, gehen Kaffee trinken oder so.«
    »War es so schlimm? Was hast du ihnen denn erzählt, was du heute Abend machst?«
    »Sie haben nicht gefragt. Vermutlich ist Ginger davon ausgegangen, dass ich mit meiner Freundin Claire verabredet bin. Oder vielleicht hat ihr das eine meiner Schwestern erzählt, um mir ein Alibi zu verschaffen.«
    »Kriegst du jetzt Ärger?«
    »Keine Ahnung«, antwortete ich. »Vielleicht bombardieren sie mich mit nervigen Fragen. Vielleicht erwähnen sie den Abend aber auch nie wieder. Kann beides passieren.«
    »Ich fand sie nett«, erklärte Robbie.
    »Sie wissen, wie sie mit anderen Leuten reden müssen«, erwiderte ich. »Sie sind immer ›nett‹.«
    Robbie scharrte mit der Sohle seines Schuhs über den verdreckten Gehweg. »Na gut, dann laufen wir zu Carmen. Bis wir dort ankommen, sind wir nur noch ein bisschen zu früh.«
    Wir gingen Richtung Stadtzentrum. Robbie nahm meine Hand. Ich war nervös wegen der Kommentare, die Ginger und Daddy-o später vielleicht ablassen würden, aber ich versuchte, das Gefühl zu verdrängen; wenn ich darüber nachdachte, ob ich den ganzen Abend mit Robbies Freunden verbringen könnte, ohne wie eine Idiotin dazustehen, wurde ich schon nervös genug.
    »Wie sind denn deine Eltern so?«, erkundigte ich mich. »Ich wette, sie rennen nicht durch die Gegend und nennen alle ›Schätzchen‹.«
    »So viel ist sicher«, bestätigte Robbie. »Meine Mutter ist Psychiaterin. Sie ist halb Jamaikanerin, halb Jüdin – sie nennt das

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