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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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würden sie ihn vielleicht gar nicht bemerken. Daddy-o hat im Allgemeinen nur etwas gegen Leute, die er für nicht interessant genug hält. Er bevorzugt »Aristokraten des Geistes«. Ginger ist eher ein Lokalsnob – sie mag am liebsten Leute, die sie seit ihrer Geburt kennt. Robbie schien ein möglicher Anwärter für einen Aristokraten des Geistes zu sein, aber da er nicht aus Baltimore kam, war Ginger vermutlich nicht die beste Kindergartenfreundin seiner Mutter. Das Höchste, worauf ich hoffen konnte, war, dass sie derselben Studentinnenvereinigung am College angehört hatten. »Ich schlage vor, wir probieren es aus und warten ab, was sie davon halten.«
    Sein Gesicht strahlte auf fünf verschiedene Arten vor Glück. »Du bist abenteuerlustig. Das wusste ich vom ersten Moment an, als ich dich gesehen habe.«
    Ich hatte mich nie für besonders abenteuerlustig gehalten. Ich war die öde Superbrave, die nie Ärger hatte und immer nur gute Noten bekam. Die rechthaberische, verantwortungsbewusste große Schwester. Doch sobald Robbie es ausgesprochen hatte, wurde mir klar, dass ich tatsächlich abenteuerlustig bin – wie Du, Almighty. Es hat dann nur eine Weile gedauert, bis sich auch die anderen an diese Vorstellung gewöhnten.

Vier
    Als ich später nach Hause kam, warteten wie üblich Jane und Sassy in meinem Zimmer auf mich.
    »Hier drinnen ist es schweinekalt«, beschwerte ich mich. Jane hatte natürlich das Fenster geöffnet, damit sie rauchen konnte. Ich riss ihr die Nelkenzigarette aus der Hand, warf sie nach draußen und schloss das Fenster.
    »Hey, ich war noch nicht fertig«, maulte Jane.
    »Du könntest so das ganze Haus abfackeln«, fügte Sassy hinzu.
    »In dieser Familie ist Privatsphäre wirklich ein Fremdwort«, sagte ich. »Jedes Mal wenn ich in mein Zimmer komme, lungert hier ein Haufen Leute rum.«
    »Wir sind nicht irgendwelche Leute«, konterte Sassy. »Wir sind wir.«
    »Das Turmzimmer war schon immer der offizielle Clubraum«, erklärte Jane. »Jedenfalls seit St. John.«
    »Dinge ändern sich«, erwiderte ich. »Die neue Regel lautet, dass ihr um Erlaubnis bitten müsst, bevor ihr hier reinplatzen und die Bude mit Nelkenrauch verpesten könnt.«
    »Schnelllesen bringt dich echt auf komische Ideen, Norrie«, sagte Jane.
    »Erinnerst du dich noch an diese Strickleiter, die St. John hatte, damit seine Freunde mitten in der Nacht hochklettern konnten, um hier zu feiern?«, fragte Sassy. Sie hinkt bei Unterhaltungen oft ein paar Schritte hinterher. »Was ist eigentlich aus der geworden?«
    »Er hat sie ins College mitgenommen«, sagte ich. »Oder vielleicht ist sie bei Sully.« Mir kam der Gedanke, dass sich die Leiter möglicherweise als ganz praktisch erweisen könnte. Falls ich oder irgendjemand sonst – ich dachte da an niemand Speziellen – sich in mein Zimmer hinein- oder herausschmuggeln müsste, nur so als Beispiel. Ich öffnete das Flügelfenster und starrte in die Dunkelheit hinaus, vier Stockwerke in die Tiefe. Erstaunlich, dass keiner von St. Johns betrunkenen Freunden je abgestürzt ist und sich das Genick gebrochen hat.
    »Schau sie dir an, Sassy«, sagte Jane und deutete mit einem Kopfnicken auf mich. »Findest du nicht, dass sie in letzter Zeit anders aussieht?«
    Ich wandte mein Gesicht Sassy zu, damit sie mich besser betrachten konnte.
    »Ja«, stimmte Sassy zu. »Norrie, du hast plötzlich Wangenknochen.«
    Ich stellte mich vor den Spiegel. Sassy hatte Recht. Wo im Sommer – das letzte Mal, dass ich wirklich nachgesehen hatte – noch runde Pausbäckchen gewesen waren, wies mein Gesicht nun markante Züge auf. Allmählich sah ich ein bisschen wie Ginger aus. Dazu habe ich immer noch ein zwiespältiges Verhältnis.
    »Wahrscheinlich hab ich abgenommen.« Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht.
    »Es liegt am Schnelllesekurs«, sagte Jane. »Dort ist etwas passiert, das dich unwiderruflich verändert hat, und jetzt sieht man es in deinem Gesicht.«
    »Was ist denn beim Schnelllesen passiert?«, fragte Sassy.
    »Sie will es uns nicht erzählen«, sagte Jane.
    »Doch, werde ich«, sagte ich. »Nur nicht jetzt.«
    »Was ist los?« Sassy hüpfte auf dem Bett auf und ab. »Du musst es uns erzählen! Jetzt sofort!«
    »Nein.«
    »Lass mich raten«, sagte Sassy. »Du hast einen Jungen kennengelernt!«
    »Nein, hab ich nicht«, erwiderte ich. »Woher weißt du das?«
    »Zufallstreffer«, sagte Sassy. »Die großen Veränderungen in der Geschichte der Menschheit fangen immer

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