Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)
Cain) bis hin zur Farce (Rick Perry) zu bedienen.
Man kann sich in diesen Geschichten verlieren. Aufgrund dieser menschlichen Komponente ist die Politik besonders anfällig für schlechte Prognosen. Ein guter Wahlkampf weckt unseren Sinn fürs Drama. Das bedeutet nicht, dass man ein politisches Ereignis vollkommen leidenschaftslos betrachten muss, um eine gute Prognose zu stellen. Aber es bedeutet, dass sich die reservierte Einstellung des Fuchses vielleicht auszahlt.
Wie ein Fuchs eine Prognose stellt
Die Idee zu FiveThirtyEight (der Name bezieht sich auf die Anzahl der Wahlmänner) kam mir, als mein Flug verspätet war und ich im Februar 2008 auf dem Louis Armstrong New Orleans International Airport festsaß. Ganz plötzlich, vielleicht lag es ja an den Cajun-Martinis, erkannte ich die Notwendigkeit einer Website, die prognostizierte, wie Hillary Clinton und Barack Obama, die sich zu diesem Zeitpunkt noch beide für die Präsidentschaft nominieren lassen wollten, im Kampf gegen John McCain abschneiden würden.
Mein Interesse an Wahlkämpfen war bereits etwas früher geweckt worden, und zwar hauptsächlich aus einem Gefühl der Frustration heraus und nicht aus Liebe zur Politik. Ich hatte 2006 aufmerksam den Versuch des Kongresses verfolgt, Internetpoker zu verbieten, womit ich damals hauptsächlich mein Geld verdiente. Die politische Berichterstattung erschien mir – verglichen mit dem Sport, dessen Analysen durch die »Moneyball-Revolution« erheblich verbessert worden waren – unzureichend.
Im Vorfeld der Primärwahlen sah ich mir immer mehr politische Sendungen im Fernsehen an, überwiegend MSNBC, CNN und Fox News. Ein Großteil der Berichterstattung war nichtssagend. Obwohl die Wahl erst in etlichen Monaten stattfinden würde, konzentrierten sich die Kommentatoren auf die Unvermeidlichkeit von Hillary Clintons Nominierung, ohne zu beachten, wie unsicher frühe Umfragewerte sind. Man schien sich zu sehr auf das Geschlecht Hillary Clintons und die Hautfarbe Obamas zu konzentrieren, 24 und wie besessen verfolgte man Tag für Tag, welcher der Kandidaten gerade vorne lag, weil ihm eine schlaue Bemerkung während einer Pressekonferenz gelungen oder er von einem No-Name-Senator unterstützt worden war – Dinge, die 99 Prozent der Wähler vollkommen gleichgültig waren.
Politische Nachrichten, insbesondere die wichtigen, die Einfluss auf den Wahlkampf haben, gibt es nur in unregelmäßigen Abständen. Aber Nachrichtensendungen werden täglich produziert. Das meiste ist Füllmaterial in Form von Geschichten, die die Unbedeutsamkeit kaschieren sollen (ein beliebter Trick ist, alles zuzuspitzen, um so die Zeitungsverkäufe zu steigern). Nicht nur verliert die politische Berichterstattung das Signal häufig aus den Augen, sie verstärkt oft auch noch das Rauschen. Zeigen verschiedene Meinungsumfragen in einem Bundesstaat, dass die Republikaner die Nase vorn haben, dann ist eine weitere Umfrage mit demselben Ergebnis keine Neuigkeit. Zeigt eine neue Umfrage jedoch, dass die Demokraten einen Vorsprung haben, dann sorgt das sogleich für Schlagzeilen, obwohl es sich wahrscheinlich um einen Ausreißer handelt, der mit dem späteren Ergebnis nichts zu tun hat.
Die Leistungen der Konkurrenz waren also verlockend schwach. Ein wenig Einarbeitung in die Materie des Wahlkampfs garantierte den Ruf eines Prognose-Genies. Also begann ich, Blogs für die Website Daily Kos zu verfassen, und legte dort fundierte Analysen zum Thema Meinungsumfragen und Wahlkampffinanzierung vor. Ich schaute mir an, welche Demoskopen in der Vergangenheit am besten abgeschnitten hatten und welche Auswirkungen ein Sieg in einem Bundesstaat wie beispielsweise Iowa auf die Ergebnisse in einem anderen Bundesstaat hatte. Meine Artikel erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Die Kommentare auf Websites wie Daily Kos sind allerdings normalerweise eher polemisch (und parteiisch) als sachlich. Im März 2008 startete ich meine eigene Website, FiveThirtyEight, auf der ich Prognosen über die Präsidentschaftswahl stellte.
Das FiveThirtyEight-Prognosemodell war anfänglich recht einfach. Ich ermittelte einen Mittelwert der verschiedenen Umfragen und bewertete diese auch danach, wie die Demoskopen bei früheren Wahlen abgeschnitten hatten. Dann wurde es etwas komplizierter. Ich folgte jedoch drei Prinzipien, die alle der Denkweise der Füchse entsprechen.
1. Prinzip: Denk probabilistisch
Fast alle Prognosen, die ich über Politik und über andere Fragen
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