Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)
veröffentliche, sind probabilistisch. Statt nur eine Zahl auszuspucken und zu behaupten, genau zu wissen, was passieren wird, formuliere ich eine Reihe möglicher Ergebnisse. Am 2. November 2010 beispielsweise sah meine Prognose, wie viele Sitze die Republikaner bei der Repräsentantenhaus-Wahl gewinnen würden, folgendermaßen aus (Abb. 2-3).
Die wahrscheinlichsten Ergebnisse – ausreichend, um damit etwa die Hälfte der möglichen Fälle abzudecken – lagen in einem Spektrum von 45 bis 65 Sitzen (tatsächlich gewannen die Republikaner 63 Sitze hinzu). Es bestand jedoch auch die Möglichkeit, dass die Republikaner 70 oder 80 Sitze hinzugewonnen hätten, aber keinesfalls, wie von Dick Morris prognostiziert, 100 Sitze. Andererseits war jedoch auch die Möglichkeit gegeben, dass die Demokraten genügend Sitze behalten würden, um nach wie vor die Mehrheit zu stellen.
Diese breite Streuung der Ergebnisse gab die realistischerweise zu erwartenden Unsicherheiten am besten wieder. Die Prognose basierte auf Einzelprognosen für jeden der 435 Sitze, wobei der Ausgang hinsichtlich einer außergewöhnlich großen Anzahl dieser Sitze sehr knapp zu werden schien. Bei der beachtlichen Anzahl von 77 Sitzen bewegte sich der Vorsprung nur im einstelligen Prozentbereich. 25 Hätten die Demokraten in den meisten umkämpften Wahlkreisen nur ein wenig besser abgeschnitten, dann hätten sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus mit Leichtigkeit behauptet. Andererseits hätten auch die Republikaner noch viel besser abschneiden können. Ein winziger Stimmungsumschwung hätte also zu einem völlig anderen Ergebnis führen können. Es wäre töricht gewesen, das Ergebnis exakt zu beziffern.
Dieses probabilistische Prinzip wende ich auch an, wenn ich das Ergebnis einer Einzelwahl vorhersage. Wie wahrscheinlich ist es beispielsweise, dass ein Kandidat gewinnt, wenn er in den Umfragen einen Vorsprung von nur 5 Prozent hat? Dies sind die Fragen, mit denen sich die FiveThirtyEight-Modelle befassen.
Die Antworten hängen sehr stark von der Art der Wahl ab. Je weniger Bedeutung sie hat, desto unzuverlässiger sind die Umfragen in der Regel: Umfragen zu Repräsentantenhaus-Wahlen ergeben weniger zutreffende Resultate als Umfragen zu Senatswahlen, und diese hinwiederum sind ungenauer als Umfragen zu Präsidentschaftswahlen. Das gilt auch für Vorwahlen, dort sind die Umfragen ungenauer als später bei den Präsidentschaftswahlen. Während der Vorwahlen 2008, der Wahl des demokratischen Kandidaten, betrug die Abweichung der Umfrage im Schnitt 8 Prozentpunkte, weitaus mehr als der übliche Schätzfehler. Die Probleme bei den Vorwahlen für den republikanischen Kandidaten 2012 könnten noch größer gewesen sein. 26 In vielen größeren Bundesstaaten einschließlich Iowa, Alabama und Mississippi verloren die Kandidaten, die noch eine Woche zuvor laut Umfragen die Nase vorn gehabt hatten.
Umfragen gewinnen an Aussagekraft, je näher am Wahltag sie durchgeführt werden. Die Abbildung 2-4 zeigt einige Ergebnisse einer vereinfachten Version des FiveThirtyEight-Senatswahl-Vorhersagemodells, dem Daten der Jahre 1998 bis 2008 zugrunde liegen, um die Wahrscheinlichkeit zu errechnen, dass ein Kandidat aufgrund eines Vorsprungs in den Umfragen die Wahl gewinnt. Ein Kandidat für den Senat beispielsweise, der am Vortag der Wahl einen 5-Prozent-Vorsprung verzeichnet, hat historisch gesehen in 95 Prozent der Fälle, also mit größter Wahrscheinlichkeit, gesiegt, obwohl es in solchen Fällen in den Nachrichten dann stets heißt, es würde knapp werden. Im Unterschied dazu bedeutet ein 5-Prozent-Vorsprung ein Jahr vor der Wahl nur eine 59-prozentige Gewinnchance – das ist kaum besser, als würde man eine Münze werfen.
Abbildung 2-3: FiveThirtyEight-Prognose, 2. November 2010
Das FiveThirtyEight-Modell ist in dieser Beziehung sehr nützlich. Es ist leicht, sich einen Wahlkampf anzuschauen, festzustellen, dass ein Kandidat in allen oder den meisten Umfragen die Nase vorn hat, und dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass er wahrscheinlich gewinnen wird. (Mit wenigen Ausnahmen wird diese Annahme korrekt sein.) Viel komplizierter ist die Berechnung dieser Wahrscheinlichkeit. Unser Gehirn, das darauf geeicht ist, Muster zu entdecken, sucht immer nach einem Signal, statt einfach anzuerkennen, dass die Information überwiegend aus Rauschen besteht.
Ich habe mich an diese Denkungsart gewöhnt, weil mein Hintergrund aus Erfahrungen in zwei Disziplinen besteht: Sport
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