Die Bernsteinhandlerin
sind.«
»Wie weit ist es noch zu der Stelle, an der dieser Valdas lebt?«, fragte nun Barbara.
»Das hängt davon ab, ob wir ihn gleich finden.«
Barbara runzelte nach dieser Antwort die Stirn, wovon Algirdas allerdings nichts mitbekam, denn die Tochter des Bernsteinkönigs hatte die Kapuze ihres Männerwamses tief ins Gesicht gezogen. »Was soll das heiÃen? Ich dachte, Ihr wüsstet, wo dieser Mensch zu finden ist?«, empörte sich Barbara. Zweifel kamen jetzt in ihr auf, ob es tatsächlich richtig gewesen war, Algirdas völlig zu vertrauen.
Doch der Wirt lachte nur. »So was kann nur jemand sagen, der Valdas nicht kennt und auch nichts über ihn weiÃ!«
»Dann ist es vielleicht an der Zeit, darüber zu sprechen«, fand Barbara. »Ich dachte, wenn wir einen Mann Gottes zum Führer haben â¦Â«
»Davon war nie die Rede«, widersprach Algirdas. »Ich habe Euch von einem Einsiedler berichtet â er ist jedoch kein Mönch. Ganz im Gegenteil! Viele sehen in ihm einen wahrhaftigen Teufel, aber das wird Eurer Sicherheit nur zugute kommen.«
»Weshalb?«
»Weil sich demzufolge alle Welt von Euch fernhalten wird â gerade Eure Verfolger haben auÃerordentlich Angst vor ihm und seinesgleichen! Ansonsten macht es ihnen nicht im Geringsten etwas aus, sich den Zorn des Herrn zuzuziehen, wenn ihnen davon nur ein versilberter Vorteil auf Erden versprochen wird!«
»Ihr sprecht in Rätseln, Algirdas.«
»Was glaubt Ihr denn, weshalb diese Bande sich trotz all ihrer Bewaffnung nicht in dieses Land traut? Der Grund liegt in den Geistern und Zauberwesen, die hier hausen. Die ruhelosen Toten so vieler Schlachten, die vielleicht wieder aus ihren Gräbern kriechen, weil sie schwerste Schuld auf sich geladen haben und ihren Frieden mit dem Herrn nicht finden können. Kein Wunder, dass sie sich nicht vor das Gericht des Herrn trauen, angesichts der Grausamkeiten, die sie in diesen Landen begangen haben! Und dann all die magischen Kreaturen und die Hexen. Mit Ersteren meine ich vor allem die Mannwölfe ⦠Vor ihnen herrscht eine gröÃere Furcht als vor Ordensrittern und Litauern zusammengenommen!«
»Und was hat das alles mit diesem Valdas zu tun?«, fragte Erich und bemühte sich erst gar nicht, seine wachsende Ungeduld zu verbergen.
Algirdas hob seine Schultern. »Ganz einfach. Valdas ist ein solcher Mannwolf, eben ein Mann, der fähig ist, sich in bestimmten Nächten in einen Wolf zu verwandeln, und der dann Menschen anfällt.« Er lachte jetzt laut und heiser auf. Es schien ihm zu gefallen, seinen Begleitern Angst und Schrecken einzujagen. »Sicher sind das nur Geschichten«, beteuerte er nach einer kurzen Pause. »Jedenfalls, was Valdas angeht, denn ich persönlich habe noch nie beobachtet, wie er sich verwandelt! Andererseits kann man ja nie wissen â¦Â«
Â
Nach dieser Unterhaltung ritten sie die meiste Zeit schweigend, und Barbara fiel das gelegentliche Heulen von Wölfen in der Ferne, das sie bisher überhaupt nicht beachtet hatte, inzwischen durchaus auf. Die Geschichten über Mannwölfe erzählte man sich überall in Kurland, Livland und Litauen. Während andernorts das Böse vornehmlich in Gestalt der Hexerei
zum Ausdruck kam, schien es für die baltischen Länder vor allem in Gestalt von Menschen aufzutreten, die sich in Wölfe verwandelten. Das Christentum hatte diese Mächte im Grunde nicht zu bannen vermocht, vielmehr waren die Geschichten über die Mannwölfe aus den Dörfern der Kuren, Liven, Semgallen und Schamaiten sogar irgendwann bis zu den Höfen der Esten im Norden und den versprengten dänischen und schwedischen Siedlungen vorgedrungen. Selbst in den fast ausschlieÃlich von Deutschen besiedelten Städten hatten sie sich schlieÃlich verbreitet. Besonders wenn es gerade eine Wolfsplage gab, häuften sich die Anklagen gegen diese Satansgeschöpfe. Kehrte zum Beispiel jemand vom Beerensammeln aus dem Wald zurück und hatte sich dabei durch Dornen verletzt, konnte es durchaus geschehen, dass man glaubte, er sei von einem Mannwolf gebissen worden und nun ebenfalls im Begriff, sich zu verwandeln .
Es war noch gar nicht so lange her, da hatte Barbara erlebt, wie ein Mann auf dem Scheiterhaufen wegen Lykanthropie verbrannt worden war. Es war auf der Fahrt von Riga zur Burg Wenden gewesen, wo seinerzeit Albrecht von Gomringen,
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