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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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brachen Barbara und Erich zusammen mit dem Wirt Algirdas auf. Irgendwo krähte ein Hahn, und sie verließen Polangen gerade noch rechtzeitig, bevor ihr Aufbruch Aufsehen erregte.
    Algirdas ritt eine braune Stute und erzählte, dass er sie von einem zechprellenden Fuhrmann einbehalten hatte. »Mit einem Zweispänner ist er gekommen und einspännig wieder davongefahren!«, lachte Algirdas. Nachdem sie bereits ein paar Meilen
in nordöstlicher Richtung geritten waren, sahen sie in der Ferne eine dunkle Rauchsäule aufsteigen, die sich in einer schrägen, der Windrichtung folgenden Linie in den Himmel erhob.
    Daraufhin zügelte Algirdas sein Pferd. Er schien zu ahnen, was es mit dem Brand auf sich hatte. »Dort liegt der Hof des Vogts«, setzte er die beiden ins Bild. »Scheint so, als hätten die Ringler bei ihrem Zug nach Norden die Gelegenheit genutzt, ihrem schlimmsten Feind in dieser Gegend das Dach über dem Kopf anzuzünden!«
    Â»Meint Ihr, sie sind noch an diesem Platz?«, fragte Barbara.
    Achselzuckend antwortete Algirdas: »Möglich, dass sie sich da eine geraume Weile aufgehalten haben, wenn es was zu plündern gab! Ursprünglich hatte ich jedoch angenommen, dass sie schon längst weiter nach Norden gelangt wären.«
    Â»Dann sollten wir nicht das Risiko eingehen, ihnen über den Weg zu laufen«, mischte sich Erich ein.
    Algirdas drehte sich im Sattel zu ihm um. »Keine Sorge! Das wird nicht geschehen. Die Grenze nach Schamaitien ist ganz in der Nähe – und dorthin wird uns diese Meute ganz gewiss nicht folgen!«
    Â»Hoffentlich schätzt Ihr wenigstens das zutreffend ein«, konnte sich Erich eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen.
    Â»Das tue ich absolut!«, versicherte Algirdas. »Dieses Gesindel fürchtet sich vor dem Land der Geister. Und besonders vor jemandem wie Valdas!«
    Wo genau die Grenze zwischen dem schmalen Küstenstreifen des Ordenslandes und Schamaitien eigentlich lag, hätte niemand sagen können. Der Orden hatte auf dieses Gebiet inzwischen offiziell verzichtet, nachdem er sich lange vergeblich bemüht hatte, diesen Landstrich zu erobern und damit die Verbindung zwischen dem preußischen und dem livländischen Teil zu verbreitern.

    Der Jahrhunderte währende Krieg hatte seine Spuren hinterlassen. Ordensritter und Litauer hatten sich hier mit großer Unbarmherzigkeit und Grausamkeit bekriegt und dabei den Großteil der Bevölkerung vertrieben. Aus dem sumpfigen Boden, in dem über lange Zeiten Zigtausende von gefällten Bäumen eingesunken und vermodert waren, ragten bizarr aussehende Sträucher und schnell wachsende Baumarten. Über den ausgedehnten Moorgebieten, die für jeden Reiter unpassierbar waren, stieg unablässig Nebel auf und legte über alles einen dichten, milchigen Schleier.
    Gegen Mittag erreichten sie ein verlassenes Dorf, dessen verrottende Holzhäuser schon fast völlig von der Vegetation überwuchert wurden. Man hörte den hämmernden Schnabelschlag zahlreicher Spechte, die sich an dem Gekreuche gütlich taten, das in den Baumstämmen lebte. Bei manchen der Gebäude vermochte niemand mehr zu sagen, ob sie einst durch Plünderer zu Asche verbrannt oder dem ganz gewöhnlichen Verfallsprozess anheimgefallen waren. Lediglich die Kirche hatte sich besser erhalten – was aber kein Wunder war, denn der größte Teil von ihr war aus Stein errichtet worden.
    Von sämtlichen Häusern und Ruinen aber schauten Barbara und ihren Begleitern Hengstköpfe entgegen, so als wollte Perkunas ihnen deutlich machen, dass dies sein Land sei. Das Land der Geister, des Donnergötzen und allerlei anderer eigenartiger Geschöpfe, über die ein Christenmensch nicht einmal hinter vorgehaltener Hand zu reden wagte.
    Etwas außerhalb des Dorfes entdeckten sie einen von Gras, Sträuchern und kleinen Bäumen schon fast zugewachsenen Friedhof mit Hunderten von krötenförmigen Grabtafeln.
    Â»Hier scheinen ähnliche Sitten geherrscht zu haben, wie man sie in Eurem Dorf beobachten kann«, meinte Erich.
    Â»Kuren, Prußen, Schamaiten … Da sind nicht nur die Totentafeln
zum Verwechseln ähnlich, sondern es kann auch jeder die Sprache des anderen einigermaßen verstehen«, gab Algirdas zurück. »Als eingewanderter Litauer musste ich freilich eine ganze Reihe von Wörtern dazulernen, die bei uns nicht üblich

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