Die Bernsteinhandlerin
Schatten in der Nacht huschten sie davon. Der Hufschlag wurde allmählich eins mit dem Rauschen des Meeres und dem anschwellenden Heulen des Windes. Das groÃe bleiche Oval des Mondes am Himmel wurde bald durch ein schnell über das Meer heranziehendes Wolkengebirge bedeckt, und die kontinuierlich kleiner werdenden Umrisse der Reiter verschwanden vollends im Dunkeln.
Barfuà ging Barbara hinaus in den Flur. Sie konnte kaum etwas sehen und tastete sich bis zur Treppe. Im Schankraum brannte eine flackernde Kerze auf einem der Tische. Algirdas war gerade damit beschäftigt, die Tür wieder zu verschlieÃen.
Aus einem der anderen Räume hörte man nun das Geschrei der kleinen Jurate und die beruhigenden Worte in kurischer Sprache, mit denen Algirdasâ Frau den Säugling zu beruhigen versuchte.
Algirdas zuckte regelrecht zusammen, als er Barbara entdeckte. Mit bloÃen FüÃen hatte sie keinen Laut auf den Stufen verursacht.
»Bei Jesus Christus und allen Kurengötzen, habt Ihr mich erschreckt!«, stieà der Wirt hervor.
»Was waren das für Männer?«
»Ich bin überzeugt davon, dass Ihr das besser wisst als ich! Jedenfalls werdet Ihr von diesen Männern gesucht â aus welchem Grund auch immer. Ich denke aber, dass ich dafür gesorgt habe, dass Ihr diese Meute erst einmal nicht mehr auf den Fersen habt! Sie reitet weiter nach Norden ⦠Irgendwo vor Grobin wird sie auf Euch lauern. Meidet also die einschlägigen Wege!«
»Ich habe Euer Gespräch mit angehört«, gestand Barbara. »Zumindest zum Teil. Es scheint, als ob Ihr groÃen Ãrger für Euch und Eure Familie heraufbeschwört, indem Ihr uns helft.«
»Ich tue das aus Verpflichtung gegenüber Eurem Vater und um der alten Zeiten willen. Das Risiko ist auch längst nicht so hoch, wie man vielleicht glauben könnte, wenn man diese ungehobelten Gesellen in dieser Weise reden hört â¦Â«
»Und was werdet Ihr tun, wenn diese Männer ihre Drohung wahrmachen?«, hakte Barbara nach.
»Wie wärâs mit einer guten Ausrede?«, fuhr in ungewohnt scharfem Tonfall eine Stimme dazwischen, die Barbara in der letzten Zeit sehr vertraut geworden war. Erich von Belden
schritt die Treppe herab. Er hatte den Gürtel mit Rapier und Dolch angelegt. Seine Linke umschloss den Schwertgriff, sein Blick fixierte Algirdas.
»Sie werden mir nichts tun«, beschwichtigte Algirdas. »Weder mir noch meiner Familie, denn schlieÃlich habe ich ihnen geholfen.«
»Ihr kennt diese Männer besser, als Ihr bereit seid zuzugeben«, stellte Erich fest.
»Ich kann Euch nur empfehlen, Euch nicht darum zu kümmern, wer diese Männer sein mögen, sondern dafür zu sorgen, dass Ihr ihnen nicht begegnet.«
Erich näherte sich jetzt dem Wirt. Als Algirdas sich an ihm vorbeidrücken wollte, packte Erich ihn am Kragen und drückte ihn gegen die Wand. Dann riss er ihm das Wams ein Stück herunter, sodass der Hals frei dalag. Ein Lederband wurde sichtbar.
»Was fällt Euch ein!«, ereiferte sich Algirdas. Im nächsten Moment spürte er jedoch schon Erichs Dolch an seinem Hals, sodass er gleich verstummte.
Barbara fühlte sich gedrängt einzugreifen. »Erich, was tut Ihr da! Steckt Eure Klinge ein â dieser Mann ist auf unserer Seite, und wir sind ihm zu Dank verpflichtet!«
»So? Wirklich?«
Mit einer ruckartigen Bewegung schnitt Erich das Lederband durch und riss mit der anderen Hand das Band mitsamt dem kleinen Lederbeutel an sich, der daran hing und bisher unter der Kleidung verborgen gewesen war.
Erich steckte den Dolch ein und öffnete den Beutel.
Ein bronzefarbenes Amulett mit drei schwarz emaillierten Kreuzen in einem ebensolchen Kreis wurde im Schein der Kerze sichtbar. »Seht Euch das an!«, wandte er sich an Barbara und übergab ihr das Amulett. »Genau so eins habe ich
dem Meuchelmörder abgenommen, der mich vor drei Jahren in Lübeck zu töten versuchte!« Erich holte daraufhin einen ähnlichen Beutel aus seiner Kleidung hervor, nahm das besagte andere Amulett heraus und zeigte es Barbara. »Es sind Erkennungszeichen! Anscheinend gibt es sie in unterschiedlichen Ausführungen, denn die Grundfläche meines Amuletts ist aus Gold â die unseres Wirtes hingegen nur aus Bronze.«
»Gebt mir das Amulett zurück!«, forderte Algirdas, aber er hütete sich davor, es Barbara
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