Die Bernsteinhandlerin
Teil hinter uns, und so werde ich Euch auch das letzte Stück noch begleiten.«
»Wenn ich tatsächlich einer dieser sogenannten Ringbrüder wäre, könnte ich Euch zu allem zwingen, was mir in den Sinn käme.«
»Nein«, schüttelte Valdas den Kopf. »Mich kann niemand mehr zu irgendetwas zwingen, denn ich habe schon alles verloren, und daher kenne ich keine Furcht mehr. Vor nichts und niemandem. Ihr könntet mich bedrohen, aber das geschieht auch jedes Mal, wenn ich nach Nyby komme, ohne dass mich dies davon abhalten würde, Magnus einen Besuch abzustatten. Im Ãbrigen halte ich es auch für wahrscheinlicher, dass Ihr ein abtrünniges Mitglied der Ringler seid, doch auch darüber will ich mir keine Gedanken machen. Ich weiÃ, dass Algirdas mit den Ringlern zusammenarbeitet und sie gleichzeitig betrügt â und doch bin ich sein Freund. Der Schmuggel, der Orden, der Ring der schwarzen Kreuze, all das betrachte ich als etwas, was mich nichts angeht! Aber wenn ich mit jemandem reise, der mir gegenüber nicht aufrichtig war, dann betrifft mich das.«
Am Abend suchte Valdas Feuerholz, und so fand sich eine Gelegenheit für Barbara und Erich, allein zu sein.
»Wir sollten uns bei Tageslicht so vertraut sein wie in der dunkelsten Nacht«, sagte Barbara, und Erich nahm sie etwas zögernd, aber dann doch leidenschaftlich und fordernd in die Arme. Ihre Lippen fanden einander, und Barbara fühlte dieselbe drängende Leidenschaft in sich aufsteigen, die sie in der letzten Nacht jede Rücksicht und jede Vernunft hatte vergessen lassen. Ihre Kapuze glitt zurück, und er strich ihr zärtlich über das Haar, das zu binden sie am Morgen bei ihrem überstürzten Aufbruch keine Zeit gehabt hatte. »Ich bin froh, Euch begegnet zu sein, obschon der Gedanke daran schmerzt, dass uns nicht viel gemeinsame Zeit gegeben sein wird â¦Â«
»Muss das denn so sein?«, fragte Barbara.
»Ein heruntergekommener Söldner als Mann einer hochvornehmen Bürgerstochter, um deren Hand die Söhne der angesehensten hanseatischen Familien buhlen würden â¦Â«
»⦠wenn ich nicht ein Verlöbnis gebrochen hätte«, vollendete Barbara. »Wisst Ihr, dass ich in Lübeck nur deswegen nicht als Gesetzesbrecherin gelte, weil nur ein Vorvertrag, jedoch kein formeller Eid unter Zeugen abgelegt wurde, in dem ich geschworen hätte, innerhalb einer bestimmten Zeit zu heiraten? Man hielt das für überflüssig, da mein Vater sich ja bereit erklärt hatte, den Hochzeitstermin vorzuverlegen, wozu es dann ja auf Grund Eurer Warnung und des Todes meiner Mutter nicht mehr kam.«
»Spitzfindigkeiten!«
»So sehen das manche Hanseaten auch.«
»Ihr wollt mir doch nicht im Ernst weismachen, dass Euer Vater nicht in der Lage wäre, ein Dutzend standesgemäÃer Kandidaten für Euch aufzutreiben, wenn es sein müsste!«, entfuhr es Erich nun sehr viel schroffer und ärgerlicher, als es vermutlich
seine Absicht gewesen war. Als ob er seine Worte damit zu mildern versuchte, nahm er zärtlich ihre Hand.
»Ihr sprecht immer vom fehlenden Stand â aber Ihr seid von Adel und damit meinem Stande sogar übergeordnet!«
»Der Stand geht verloren, wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, standesgemäà zu leben, Barbara. Das wisst Ihr so gut wie ich, und es gilt für den Kaufmann, der bankrott geht, genauso wie für manchen Spross aus mittellosem Adel, dessen Verdienste Generationen zurückliegen und der nicht hoffen kann, es zu Ruhm, Herrschaft oder irgendetwas anderem in seinem Leben zu bringen, wozu man ihn ursprünglich erzogen hat. Ich halte die alten Ideale und Tugenden hoch, aber für den Feind, der meine Klinge zu spüren bekommt, ist es gleichgültig, ob sich derjenige, der ihm den Schädel einschlägt, nun Söldner oder Ritter nennt und ob dieser einen Namen trägt, der sich weit zurückverfolgen lässt, oder einen, den er sich selber gegeben hat. Wenn ich nur wenigstens ein begabter Turnierreiter wäre, der von Fest zu Fest zieht, um Preisgelder zu gewinnen, könnte ich mit gröÃerem Recht behaupten, noch standesgemäà zu leben.« Er zuckte mit den Schultern. »Das ist die Wahrheit, auch wenn ich mich lange gescheut habe, ihr in das ungewaschene Antlitz zu blicken!«
Valdas kam zurück, und so kam Barbara nicht mehr dazu, etwas zu erwidern. Jedes Wort von
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