Die Bernsteinhandlerin
mein Blut heran.«
»So werdet Ihr früher sterben«, schloss Gernot.
»Das ist gut möglich, nur was die Ursache angeht, glaube ich Eurer Vorhersage keinesfalls!«
Barbara hatte sich in den Gesprächen sehr zurückgehalten. Immer wieder nahmen sie ihre Gedanken gefangen. Gedanken darüber, wie ihr Leben in Zukunft verlaufen würde. Alles, was vor ihr lag, erschien ihr wie ein vorgezeichneter Weg,
von dem abzuweichen ihr nicht erlaubt war. Aber so soll es wohl sein, dachte sie. Niemand war letzten Endes Herr seines Schicksals, und sie schien da keine Ausnahme zu sein.
»Ihr seid so schweigsam, Barbara«, sprach Gernot seine Tischnachbarin an. »Ich kenne Euch aus der Zeit, da ich noch Bernsteinvogt zu Riga war, viel lebhafter.«
»Damals war ich gerade erst vierzehn«, stellte sie klar.
»Man hört, dass Ihr mittlerweile Euren Vater bei den geschäftlichen Dingen stark unterstützt.«
»Was bleibt den Heusenbrinks anderes übrig, da meine Eltern keinen Sohn haben?«
»Ihr werdet einst die Nachfolge antreten?«
»Ich bin es meinem Vater schuldig, sein Erbe zu bewahren«, erklärte Barbara mit tiefem Ernst. »Und dafür bin ich bereit, alles zu tun, was notwendig ist.«
»Bei allem Respekt vor Euren Fähigkeiten, die ich nicht bestreiten will ⦠Ohne einen Mann von Stand an Eurer Seite werdet Ihr in der rauen See dieser Zeit untergehen.«
Barbaras Lächeln wirkte etwas gequält. »Ihr seid nicht der Erste, der mir so etwas sagt«, meinte sie.
»Ich wüsste ein paar Kaufleute hier in Doblen, die durchaus ehetaugliche Söhne haben, die für Euch in Frage kämen! Wenn Ihr wollt und Euer Vater nicht etwa kategorisch Einspruch erhebt, könnte ich in dieser Angelegenheit vermittlerisch für Euch tätig werden.«
»Danke«, sagte Barbara und konnte dabei einen gereizten Tonfall nicht verbergen. »Aber ich möchte diese Dinge gerne zunächst mit meinem Vater besprechen.«
»Das verstehe ich vollkommen«, betonte der Komtur von Doblen. »Zögert allerdings nicht, auf dieses Angebot zurückzukommen!« Er neigte sich etwas näher zu Barbara hinüber und sprach in gedämpftem Tonfall, so als wollte er vermeiden,
dass das Gesagte allzu vielen Zuhörern bekannt würde. Angesichts der Tatsache, dass die anwesenden Ritterbrüder während des Mahls fast gar nichts sprachen, wirkte das freilich etwas eigenartig. »Es geht das Gerücht um, dass Ihr noch immer mit einem lübischen Kaufmann verlobt seid, es aber auf Grund gewisser Unstimmigkeiten zum Zerwürfnis zwischen den beteiligten Familien gekommen ist. Ich will jetzt nicht zu tief in Eure Angelegenheiten dringen, aber â¦Â«
»Und ich habe nicht die Absicht, Näheres dazu zu sagen, werter Gernot«, erklärte Barbara, die das Gefühl hatte, ihrem Gegenüber nun langsam eine Grenze setzen zu müssen, um dessen unersättliche Neugier etwas einzuschränken.
»Ihr habt mich missverstanden. Es ging mir nicht darum, Neues zu erfahren, und ich möchte schon gar nicht, dass Ihr mir Einzelheiten Eurer damaligen Abmachungen offenbart. Das geht mich alles nichts an. Tatsächlich möchte ich Euch deutlich machen, dass einige der Heiratskandidaten, die ich hier in Doblen im Auge habe, durchaus in der Lage wären, Euch aus einem eventuell gegebenen Schwur herauszukaufen. Euren zukünftigen Handelsbeziehungen in lübischen Gefilden dürfte das nur förderlich sein, glaubt Ihr nicht?«
Â
Barbara flüchtete sich jedes Mal in ausweichende Antworten, wenn Gernot von der Tann versuchte, auf diesen Punkt zurückzukommen und Barbara von den Vorteilen zu überzeugen, die es auch für sie haben konnte, sich einen Gatten unter den Doblener Kaufmannssöhnen im passenden Alter zu suchen.
In Wahrheit, so war es Barbara durchaus klar, dachte der Komtur wohl in erster Linie nicht an ihre Zukunft, sondern an seine eigene. Das Herz Livlands schlug in Riga, und die Komturei Doblen blieb ein randständiges, stets von äuÃeren Angriffen
bedrohtes Gebiet. Aber je enger die Verbindungen nach Riga geknüpft würden, desto besser wäre das für die Stadt und letztlich auch für die Ordensherren auf der Burg. Wohlstand und ein Aufschwung des Handels hielten aufmüpfige Stadträte, wie man sie im preuÃischen Landesteil zurzeit finden konnte, viel wirksamer nieder als Kanonen und
Weitere Kostenlose Bücher