Die Bernsteinhandlerin
Kapuze nicht über die Haare zu ziehen. Dies würde die Schwestern nur unnötig verunsichern und für Aufruhr unter ihnen sorgen, da manche von ihnen vielleicht denken könnten, ein Mann schlafe bei ihnen im Dormitorium.
Der Komtur lieà Barbara Frauenkleider zur Verfügung stellen, die sie auch anlegte. SchlieÃlich war es keineswegs ihre Absicht, ihren Gastgeber zu verprellen.
»Gleichgültig, was Ihr am Leib tragt â es schmeichelt Eurer Schönheit«, raunte Erich ihr zu, als sie sich auf dem Weg zum Palas wiederbegegneten.
»Es ist die Tracht einer Schwester«, konstatierte Barbara.
»Glaubt Ihr wirklich, nur der Pelzbesatz am Kragen einer Patrizierin lässt Euch erblühen?«
Sie lächelte. »Nein, aber wenn ich so darüber nachdenke, war es vielleicht ganz gut, dass es so dunkel war in der Nacht, als Ihr mir beiwohntet. Wer mag schon ahnen, wie Euch die Männerlumpen, die ich trug, verschreckt hätten!«
»Mich kann so schnell nichts erschrecken«, widersprach Erich. »So gut müsstet Ihr mich inzwischen eigentlich kennen!«
Sie berührte ihn leicht mit der Hand am Oberarm, und eine mächtige Kraft in ihrem Leib drängte in diesem Augenblick zu
ihm â aber kurz bevor sie sein Wams streifte, zog sie die Hand schnell zurück. Wie selbstverständlich und natürlich war ihre Nähe bisher gewesen, und nun mussten sie tun, als wären sie Fremde, so kam es ihr vor.
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Das Bankett, das Gernot von der Tann an diesem Abend für seine Gäste und die Ritterbrüder der Burg Doblen gab, war ziemlich bescheiden. Gernot war der Ansicht, dass den alten, mönchisch geprägten Idealen des Ordens wieder mehr Geltung verschafft werde sollte. Die Reichtümer, die der Bernstein den Ritterbrüdern einbrachte, hatte seiner Meinung nach ausschlieÃlich gemeinnützigen Zwecken zu dienen, aber nicht dem Wohlleben der Ordensangehörigen. SchlieÃlich gehörte auch die Armut zu den Gelübden, die die Kreuzler abzulegen hatten. Und Gernot glaubte, dass diesem Versprechen zu wenig Beachtung geschenkt werde.
Burg Doblen war hervorragend mit Feuerwaffen ausgestattet, und anstatt die schon hundert Jahre alten Steinbüchsen nur in Stand zu halten, hatte der Komtur dafür gesorgt, dass auch modernere, leichtere Feuerwaffen in groÃer Zahl zur Verfügung standen und eine Truppe von Hakenbüchsenschützen aufgestellt worden war.
Während des Banketts wurde Gernot nicht müde, gegenüber seinen Gästen die Errungenschaften seiner Verwaltung herauszustellen. So hatte er einen eigenen Vogt dafür in Dienst gestellt, die gleichmäÃige Durchmischung des Pulvers zu überwachen, da es sonst immer wieder zu Fehlzündungen und schweren Verletzungen der Schützen und Kanoniere kommen konnte. Das öffentliche Krankenhaus der Stadt galt als eines der besten in ganz Livland, und Gernot empfahl sowohl Barbara als auch Erich, dort doch einfach einmal zur Ader gelassen zu werden. »Unsere Heilkundigen sind der Ansicht,
dass dies auch vorbeugend hilft, indem es einen Ãberschuss an Körperflüssigkeit abflieÃen lässt«, erklärte der Burgherr. »Als zuletzt die Pest ausbrach, ist sie nicht nach Doblen gekommen, obgleich das ganze Umland mit den angrenzenden Komtureien schwer betroffen war. Die Gründe dafür liegen mit Sicherheit darin, dass bei uns so viele Menschen zur Ader gelassen werden â und das völlig ohne Kosten!«
»Ich lag einmal mit einer Verwundung danieder«, trug Erich vor. »Der Medicus empfahl mir genau dasselbe, was Ihr mir jetzt als Vorbeugung gegen eine mögliche Erkrankung ratet.«
»Und? Ihr sitzt hier bei mir am Tisch und seid offensichtlich genesen! Ist das nicht ein Beweis dafür, wie wertvoll und segensreich diese Methode ist?«
»Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich durch den Aderlass noch viel schwächer wurde und schon glaubte, nie wieder vom Krankenlager aufstehen zu können!«
»Ja, im ersten Moment mag man sich schwächer fühlen, doch später erwächst genau daraus die Stärke! Ich kann Euch das nicht mit so wohlgesetzten lateinischen Worten erklären, wie unsere Ãrzte das vermögen, aber Ihr könnt davon ausgehen, dass dies die Wahrheit ist!«
»Euer Angebot ist sehr freundlich«, erwiderte Erich. »Aber seit dem Ereignis, von dem ich Euch gerade berichtete, lasse ich niemanden mehr an
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