Die Bernsteinhandlerin
Johannes.
»Das Kreuz hatte er also abgelegt«, betonte Svante.
»Ja, er scheint das Vertrauen in den Herrn verloren zu haben.« Johannes nickte leicht und strich sich nachdenklich über das Kinn.
»Die Prüfungen, vor die ihn der Herr gestellt hat, waren wohl zu schwer, als dass es ihm möglich gewesen wäre, sie zu bestehen.«
»Ja, das mag sein«, murmelte Johannes. Er begann damit, in den Schriftstücken zu lesen, und wandte sich gleichzeitig mit einer Frage an den Burgkaplan. »Es wird erzählt, dass zwei Fremde in Begleitung von Arnulf von Brindig hier auf der Memelburg gewesen sind. Ist das wahr?«
»Ja.«
»Es soll sich um einen Mann und eine Frau gehandelt haben, wobei die Frau von ihrer Kleidung her, sie trug einen ziemlich breiten Pelzbesatz am Kragen, von vornehmem Auftreten gewesen sein muss.«
»Es war Barbara Heusenbrink, die Tochter des Heinrich Heusenbrink zu Riga, der Euch vielleicht als Bernsteinkönig ein Begriff ist.«
»Ja, den Namen Heusenbrink habe ich gehört, wenngleich es unter denen, die ihn nicht mögen, sicher auch noch ein paar weniger schmeichelhafte Namen für ihn gibt als Bernsteinkönig.«
»Mag sein.«
»Und wer war der Mann?«
»Erich von Belden. Ein Ritter, der sich wohl als Söldner für weià Gott wen verdingt hat und mir kaum noch standesgemäÃ
erschien. Aber ein unsicher gewordener Stand scheint ja ein Zeichen der Zeit zu sein, in der Gott seine Prüfungen für uns bereithält. Ãberall gerät die althergebrachte Ordnung aus den Fugen, und so wundert einen schon bald auch die schlimmste Niedertracht nicht mehr.« Der Kaplan deutete auf den toten Komtur. »Wenn sich selbst bei einem Komtur der Ordensritter, der geschworen hat, den Glauben zu verteidigen, so viel davon angesammelt hat, wie wir hier und heute sehen!«
»Woher wisst Ihr so viel über diese beiden Reisenden?«, wollte Johannes wissen und kam damit wieder auf den Kern seiner Frage zurück. Die AusmaÃe der Verschwörung, von der sich bisher nur grobe Umrisse gezeigt hatten, wurden immer ausufernder, und so hätte es Johannes von Werndorf in diesem Augenblick auch kaum verwundert, wenn vielleicht sogar ein Name wie der der Heusenbrinks in irgendeiner Weise darin verwickelt wäre.
Aber es war Johannes von Werndorfs Auftrag, ohne Ansehen der Person und mit aller Härte dagegen vorzugehen, und darin würde er sich auch nicht durch den Respekt vor groÃen und bedeutenden Namen abschrecken lassen.
»Arnulf hat mir in der Nacht vor seinem Tod davon berichtet. Mir waren die Fremden nämlich zunächst nicht geheuer.«
»Weshalb nicht?«, hakte Johannes sofort nach.
»Weil sie vom Komtur auf sehr privilegierte Weise behandelt wurden. Und nachdem Arnulf mir dann berichtete, dass sich sein Verdacht gegen den Komtur bestätigt hatte, war ich etwas irritiert.«
»Und später nicht mehr?«
»Arnulf hat mir erzählt, dass die Heusenbrink-Tochter offenbar auf der Nehrung entführt werden sollte. Und dieser heruntergekommene Ritter namens Erich von Belden soll sie davor bewahrt haben, den Schergen in die Hände zu fallen.«
Der Kaplan zuckte mit den Schultern. »Ich war nicht dabei, aber wenn die junge Frau wirklich die Tochter des Bernsteinkönigs war, dann wäre da sicher ein gutes Lösegeld zu holen.«
Aber Johannes von Werndorf schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ein Lösegeld wäre in diesem Fall etwas für Narren.«
»Wie meint Ihr das?« Der Kaplan verengte die Augen. Durch eines der offen stehenden Fenster des Komturgemachs schien die Sonne herein. Sie spiegelte sich in zwei einfachen, ohne besondere Kunstfertigkeit hergestellten Glasspiegeln unterschiedlicher GröÃe, die bei einer der gegen die Wände gelehnten krötenförmigen Grabtafeln die Krötenaugen darstellten. Das Sonnenlicht wurde durch die Spiegel zurückgeworfen und blendete den Kaplan plötzlich so sehr, dass er zur Seite wich und den Arm vor das Gesicht hielt. Er stieà einen erschrockenen, dumpfen Laut aus.
Das Licht fiel daraufhin dem Toten genau ins Gesicht und illuminierte es auf eine geisterhafte Weise, die den Anwesenden das Blut in den Adern gefrieren lieÃ. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der Komtur tatsächlich mit üblen Mächten im Bunde gewesen war, so wurde er nun zweifellos erbracht.
Der Spuk hatte ein
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