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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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geschwungenen Linie, die vielleicht ein Gewässer darstellen sollte. Darunter ein Wort in großen Buchstaben: MANTUAS.
    Â»Das ist das Zeichen einer Papiermühle in Riga!«, stellte der Kaplan fest.
    Â»Seid Ihr sicher?«, fragte Johannes.
    Â»Vollkommen! Früher haben wir das Papier von dort bezogen, weil die Papiermühle von Vladimir Mantuas die nächstgelegene war. Inzwischen gibt es aber ein paar Meilen memelaufwärts auch jemanden, der sich auf die Papierherstellung versteht – auch wenn der Kerl kein Geschick darin hat, den Draht im Schöpfsieb so zu biegen, dass ein schönes Wasserzeichen entsteht und nicht nur eine Unregelmäßigkeit in der Oberfläche, als ob jemand mit einem ungeschliffenen Edelstein darübergekratzt hätte. Aber er ist um das Zehnfache preiswerter, und weder der Orden noch die Kirche können ihr Silber derzeit zum Fenster hinauswerfen.«
    Â»Dann kommen die Dokumente mit diesem Zeichen aus Riga?«
    Â»Anzunehmen.«
    Eine schnelle Durchsicht ergab, dass beinahe sämtliche Schriftstücke, die sie in der verschlossenen Truhe gefunden hatten, das Wasserzeichen derselben rigaischen Mühle trugen.
    Â»Könnte es nicht sein, dass diese Dokumente einfach nur sehr viel älter sind und aus einer Zeit stammen, da man hier auf der Memelburg das Papier noch aus Riga bezog?«, wandte Svante Nybrad ein, dem einfach nicht einleuchten wollte, welche Verbindung zwischen dem Komtur von Memel, der ja dem preußischen Zweig des Ordens unterstand, und dem livländischen Ordenszweig Rigas bestand. Wenn es offizielle Dokumente
wären, die Hermann von Schlichten im Rahmen seiner Dienstpflichten gesammelt und bearbeitet hätte, so hätte man darauf Wasserzeichen von Papiermühlen aus der Gegend um die Marienburg finden müssen.
    Â»Ãœber diesen Einwand habe ich auch schon nachgedacht«, erklärte der Kaplan. »Aber das kann nicht sein. Die Zeit, da wir das Papier aus Riga bezogen haben, liegt lange vor Hermann von Schlichtens Amtsantritt als Komtur des Ordens hier in der Memelburg. Und wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir da auch noch etwas anderes auf … Riga … Riga … Riga …« Er murmelte den Namen der Stadt dreimal hintereinander, während er die einzelnen Blätter noch einmal durchsah. »Das ist es!«, stieß er dann hervor.
    Â»Wovon sprecht Ihr?«
    Â»Hier stehen die Worte ›laufen‹ und ›Spieß‹ – einmal auf Platt, einmal in Latein. Und dann kommt ein Wort, das sinnlos erscheint oder vielleicht auch einer unbekannten Sprache angehört: Tergun.«
    Â»Könnte auch ein Name sein«, vermutete Johannes.
    Â»Und genau das ist es, wenn auch in sehr verdrehter Form!«
    Â»Redet klarer!«
    Â»Es gibt einen eigentlich aus Danzig stammenden Kaufmann namens Gunter Spießlauf, der hier ab und zu seine Kogge Station machen lässt, wenn er auf dem Weg nach Danzig oder Lübeck ist!«
    Â»Und der kommt aus Riga?«
    Â»Er ist Mitglied der Schwarzhäupter zu Riga. Ich sprach ihn einmal auf ein Amulett des heiligen Mauritius an, das er um den Hals trug, und da hat er sich mir offenbart.«
    Â»Die Schwarzhäupter sind ja nun alles andere als eine Geheimgesellschaft«, sagte Svante. »Eher das Gegenteil, könnte man behaupten!«

    Â»Ihr meint, sie tun Gutes und sprechen laut darüber, um das Ansehen ihrer Mitglieder zu erhöhen«, stimmte der Kaplan zu. »Allerdings frage ich mich, welches Interesse die Schwarzhäupter am Bernsteinschmuggel haben sollten?«
    Â»Die Schwarzhäupter an sich vielleicht nicht, möglicherweise aber dieser Gunter Spießlauf«, schränkte Johannes von Werndorf ein. »Erzählt mir alles über ihn, was Ihr wisst, Kaplan!«

ZWANZIGSTES KAPITEL

    Viel Pech
    Wenn der Heusenbrink unser Bundesgenosse würde, wäre das ein Gewinn. Stürbe er aber, wäre auch das ein Gewinn.
    Silvester Stodewescher,
Erzbischof von Riga; anno 1450
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    Â 
    Das Erwachen war schmerzhaft. So schmerzhaft, dass sie hätte schreien mögen, aber selbst dazu fühlte sie sich zu schwach und elend. Ihr Kopf dröhnte, so als wären hundert Kirchenglocken darin zur selben Zeit angeschlagen worden. Im Moment konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Ihre Hände spürten etwas Hartes, Hölzernes: Schiffsplanken, die auf Nut und Feder gezimmert waren, und dazwischen Spuren von schmierigem

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