Die Bernsteinhandlerin
Kreuzen auf der Stirn gefunden hatte, dieser Umstand war allen Erzählungen gemein. Die Verbreitung dieses Details lag ohne Zweifel im Interesse der Ringler, denn es förderte die Furcht vor der geheimen Bruderschaft, die sich um das Schattengeschäft des Bernsteinschmuggels gebildet hatte.
Johannes und seine Männer hatten sich umgehört und schlieÃlich einige der Getreuen des Arnulf von Brindig aufgetrieben, die sich bereitwillig offenbarten, als sie merkten, dass sie es nicht mit Ringlern zu tun hatten. Zwei der Männer, die mit Arnulf von Brindig geritten waren, so hatte Johannes von Werndorf inzwischen herausgefunden, teilten das Schicksal ihres Anführers â nur war ihr Tod weniger beachtet worden, da es sich um Männer von zweifelhafter Herkunft und noch zweifelhafterem Vorleben handelte. Einer von ihnen hatte geschlitzte Ohren gehabt, und wer fragte bei so jemandem
schon nach, wenn man ihn mit einem Dolch in der Brust auf einem Acker in der Umgebung fand.
Und wenn dann noch das bekannte Zeichen der Ringbrüder auf seiner Stirn prangte, verstummten die meisten Fragen ohnehin.
»Ich war wahrscheinlich einer der letzten Menschen, die Arnulf lebend gesehen haben, als er zu mir in die Kapelle kam«, berichtete der Kaplan. »Er versuchte mich davon zu überzeugen, dass es notwendig sei, den Komtur zu stürzen.«
»Und was habt Ihr ihm geantwortet?«, fragte Johannes von Werndorf.
»Ich erinnerte ihn an seinen Eid, der den Gehorsam zu den Oberen einschlieÃt, und riet ihm zur Besonnenheit. Ich kann nicht sagen, ob wir belauscht wurden. Eigentlich waren wir sehr vorsichtig. Allerdings halte ich es für wahrscheinlicher, dass die Mordtat längst beschlossen war und der Meuchler bereits seine Befehle erhalten hatte.« Mit belegter Stimme und dunkelrot gewordenem Gesicht fügte der Kaplan dann noch hinzu: »Vielleicht kam der Mordbefehl sogar aus diesem Raum, den Hermann von Schlichten seit längerer Zeit nicht mehr verlassen hatte.«
Der Kaplan ging zu dem Toten. Für einen Priester, für den der Umgang mit Toten eigentlich zum Handwerk gehörte, wirkte er recht scheu. Selbst jetzt, nach seinem Tod, schien der Komtur noch einen furchteinflöÃenden Eindruck auf ihn zu machen.
Zuerst schloss der Burgkaplan ihm die Augen, worüber alle im Raum erleichtert waren, wurden sie doch nicht mehr angestarrt, als ob ein Wiedergänger im Raum wäre, der sie misstrauisch beobachtete. Dann machte der Kaplan sich an der Kleidung des toten Commendators zu schaffen. Sie war im Halsbereich stark verdreckt. Reste von Blut und Erbrochenem
klebten dort. Die Krankheit, die Hermann von Schlichten zuletzt so furchtbar zugesetzt hatte, hatte mannigfache Spuren hinterlassen.
Der Kaplan öffnete den Kragen des Toten. Anstatt eines Kreuzes, wie man es bei einem Komtur des Deutschen Ordens wohl erwartet hätte, fand sich dort ein Lederbeutel, der ihm an einem Band um den Hals hing.
Der Geistliche öffnete den Beutel und holte ein Amulett heraus, auf dem drei schwarze Kreuze in einem schwarzen Kreis dargestellt waren. Die Zwischenflächen schimmerten golden.
»Das war es, was Eure Fragen beantworten sollte«, wandte er sich an Johannes von Werndorf.
Johannes nahm das Amulett an sich.
»Es ist wohl eher der Ausgangspunkt neuer Fragen«, murmelte er.
Â
Svante Nybrad machte sich unterdessen an einer Truhe zu schaffen, die mehrfach mit Schlössern vor unbefugtem Zugriff gesichert war. Also wurde einer der Halbkreuzler herbeigerufen, der zuvor mit seiner Axt geholfen hatte, die Tür zum Gemach des Komturs passierbar zu machen. Ein paar gezielte Schläge sorgten dafür, dass die Kiste zu öffnen war. Svante stellte sie auf den Tisch. AuÃer ein paar Kleidungsstücken und einem Kreuzamulett, wie es die Ordensritter häufig trugen, befand sich darin auch noch ein Stapel mit Dokumenten in sehr unterschiedlichen Papierformaten. Auch Pergamente waren darunter. Manche der Blätter sahen aus, als wären sie einmal über längere Zeit auf ein winziges Format zusammengefaltet worden, das dem entstandenen Quadratmuster aus Knicklinien zufolge kaum MünzgröÃe erreicht hatte.
»Seht Euch das an, Johannes!«
»Dokumente â¦Â«
»⦠und Nachrichten, die sehr klein sein sollten, um sie gut zu verbergen, wie ich annehme.«
»Vielleicht wurden sie auch mithilfe von Brieftauben empfangen«, vermutete
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