Die Bernsteinhandlerin
breiten Gürtel um, an dem sein Rapier hing.
Erich verlieà schlieÃlich die Unterkunft und trat ins Freie. Kalte Nebelschwaden krochen bösen Geistern gleich durch die StraÃen Lübecks. In den Abendstunden erhoben sie sich aus der Trave und eroberten dann im Laufe der Nacht die ganze Stadt.
Ein Karren wurde knarrend und ächzend über das unebene Pflaster geschoben. Es war der Henker, der das tat. Darauf lag die Leiche der Mina Lodarsen, die er vor die Stadt zu bringen hatte, um sie dort zu verscharren. Dunkel vor Blut waren die Wagenräder des Karrens. Die Leiche befand sich in einem erbärmlich schlechten Zustand. Den Malen im Halsbereich nach zu urteilen, hatte der Henker die Frau einfach erdrosselt. Darüber hinaus hatte er ihr danach die Finger und die Haare abgeschnitten. Ihm stand schlieÃlich das Recht der Leichenverwertung zu, und Finger und Haare einer Giftmörderin lieÃen
sich teuer verkaufen und zu Arzneien und Glücksbringern verarbeiten.
Der Henker blieb stehen und runzelte die Stirn, als er Erich sah.
»Ãltermann Kührsen sucht nach Euch!«, rief der Henker.
»So früh?«, wunderte sich Erich.
»Ich kann Euch nicht sagen, was er von Euch will. Aber es schien sehr wichtig zu sein!«
»Wo ist er jetzt?«
»Im Vorraum des Kerkers.«
»Danke.«
Erich ging an dem Karren vorbei. Nur einen einzigen Blick warf er auf die kahlgeschorene Leiche von Mina Lodarsen, der noch nicht einmal die Augen geschlossen worden waren.
»Ich will Euch einen Rat geben, Ritter Erich«, meinte der Henker. »Vergesst alles, was mit dieser Giftmörderin zu tun hat! Stellt Ãltermann Kührsen keine Fragen, sondern tut einfach, was immer er von Euch verlangen mag. Dann fahrt Ihr am besten.«
Erich zuckte mit den Schultern. »Wir werden sehen. Aber ich weià nicht, ob einer wie du tatsächlich geeignet ist, mir Ratschläge zu geben!«
»Ganz, wie Ihr meint«, brummelte der Henker. »Aber denkt an meine wohlgemeinten Worte. Man soll sich nicht mit Mächten anlegen, deren Kraft man nie und nimmer zu begegnen vermag! Auch das solltet Ihr im Auge behalten!«
»Ich werde dir bei der Ausübung deines Handwerks keinen Rat geben, und so solltest du umgekehrt auch darauf verzichten!«, erwiderte Erich etwas ungehalten. Was bildete dieser Menschenschinder sich ein, dessen Handwerk als so unrein galt, dass die Söhne und Töchter eines Henkers allenfalls die Söhne und Töchter eines anderen Henkers heiraten durften? In Bremen hatte Erich erlebt, dass ein junger Mann, der unwissentlich
mit der Tochter eines Henkers getanzt hatte, daraufhin nicht mehr zum Abendmahl zugelassen worden war â bis er gebeichtet und sich mit BuÃauflagen in seiner Seele gereinigt hatte. Und so einer wollte ihm sagen, was gut und richtig war?
Oder wusste er vielleicht mehr darüber, warum der Mordplan eines gewissen Matthias Isenbrandt vertuscht werden sollte und so plötzlich jedes weitere Interesse an einer Aufklärung der Taten verloschen war, die man der Giftmischerin Mina Lodarsen anlastete?
»Nehmt, was man Euch geben wird â und erfreut Euch der GroÃzügigkeit des Herrn«, sagte der Henker nichtsdestotrotz. »Auf dass nicht eines Tages drei schwarze Kreuze auf Eure kalte Stirn geschrieben werden!« Mit diesen Worten schob der Henker seinen Karren wieder an und zog davon.
Â
Auf dem Weg zum Kerker kam Erich sein Kommandant Hagen van Dorpen entgegen. Er hielt ein zusammengerolltes Dokument in der Rechten. »Es trifft sich gut, dass Ihr bereits auf den Beinen seid«, bemerkte Hagen. »Ãltermann Kührsen erwartet Euch bereits und wies mich an, Euch herbeizuholen.«
»Was gibt es so Wichtiges?«, fragte Erich.
»Das wird Euch der Ãltermann wohl selbst sagen müssen. Was mich angeht, so wird mein Weg mich wohl noch heute aus Lübeck fortführen.« Er tätschelte einen Lederbeutel an seinem Gürtel, der vermutlich mit lübischen Mark gefüllt war. »Jedenfalls gehe ich nicht als armer Mann, und meine Dienste werden anderswo hochwillkommen sein. Wenn Ihr wollt, können wir uns zusammenschlieÃen und gemeinsam unser Glück suchen! Ihr seid ein Mann, auf den man sich verlassen kann, und das schätze ich.«
»Eigentlich hatte ich noch gar nicht vor, Lübeck sofort zu verlassen«, entgegnete Erich. »Und was Euch anbetrifft, so
wundert mich Eure
Weitere Kostenlose Bücher