Die Bernsteinhandlerin
rief sie jetzt herbei, damit ihm der Krug aufgefüllt würde.
Barbara erhob sich. Ihr Vater war unterdessen vom Gesandten des dänischen Königs zu einem anderen Tisch geholt worden, an dem ihm jemand vorgestellt wurde. Dieser Gast musste äuÃerst wichtig sein. Seine Kleidung war von erlesener Qualität. Der Pelzbesatz seines Gewandes war breiter, als Barbara bei irgendjemand anderem in Lübeck gesehen hatte. Die Ringe, die er an den Fingern trug, entsprachen in ihrer zur Schau gestellten Protzigkeit im Grunde überhaupt nicht dem Stil der lübischen Kaufleute. Der Mann trug einen Spitzbart, der sein Gesicht sehr lang erscheinen lieÃ. Sie nahm sich vor, ihren Vater später danach zu fragen, wen ihm da der dänische Gesandte vorgestellt hatte.
Entschlossen ging Barbara durch den Saal. Durch einen der Ausgänge gelangte sie in einen Flur, wo sich einige der geladenen Bürger unterhielten, die anscheinend noch keine Lust verspürten, in den Saal zurückzukehren, nachdem sie sich auf den Aborten erleichtert hatten.
Hie und da zog Barbara unweigerlich die Blicke auf sich, und das eine oder andere Gespräch verstummte, wenn sie sich näherte.
Zwei Posten der Stadtwache hielten an der AuÃentür Wache.
Barbara ging an ihnen vorbei und trat schlieÃlich ins Freie. DrauÃen war es feucht und kalt. Der graue Dunst, der sich schon in den letzten Nächten über die Stadt gesenkt hatte, lieà bereits die nächsten Gebäude wie dunkle Schatten erscheinen und die Lichter der Kerzenfackel-Laternen wie dahingeworfene Farbflecke eines Malers.
Barbara atmete tief durch. Die kühle Luft wirkte angenehm und vermittelte ihr ein Gefühl der Klarheit â auch und gerade in den Gedanken. Sie lieà den Blick umherschweifen und trat die wenigen Stufen am Eingang des Rathauses hinunter.
Das Schnauben eines Pferdes lieà sie den Blick wenden. Aus dem Schatten eines Torbogens löste sich eine Gestalt. Es war niemand anderes als Erich von Belden, der Ritter mit dem Rosenschwert-Wappen. Seine Linke hielt den Griff seines Rapiers umklammert. Er musterte Barbara kurz von oben bis unten und blickte sich dann um, so als wäre er besorgt darüber, dass jemand sie beide beobachten könnte.
»Kommt bitte ein paar Schritte mit mir!«
»Aber â¦Â«
»Niemand sollte von unserer Unterhaltung etwas mitbekommen. Für Euch hängt davon mehr ab als für mich â denn ich werde morgen in aller Frühe die Stadt verlassen.«
Ehe Barbara sich versah, trat er auf sie zu, ergriff einen ihrer Oberarme und führte sie mit sanftem, aber bestimmtem Druck mit sich. SchlieÃlich tauchten sie in den Schatten eines Bogeneinganges ein. Kein Licht brannte hier. Alle Laternen in unmittelbarer Nähe waren verloschen, und Barbara mochte da an keinen Zufall glauben. Erich schien die Dunkelheit nichts auszumachen. Er fasste sie bei den Schultern. Von seinem Gesicht konnte sie nichts sehen, es lag vollkommen im Schatten. Der Klang seiner Stimme war tief und so dunkel wie die Nacht â gleichwohl jedoch vertrauenerweckend und warm.
»Ich bin froh, dass Ihr gekommen seid und ich endlich die Gelegenheit habe, mit Euch zu sprechen.«
»Ihr müsst zugeben, dass die Umstände reichlich mysteriös sind!«, fand Barbara. »Und ich weià noch nicht einmal genau, weshalb ich überhaupt darauf eingegangen bin â¦Â«
»Ich will es kurz machen. Ihr seid in Lebensgefahr, Barbara! Euer zukünftiger Ehemann trachtet Euch nach dem Leben. Solange Ihr nicht verheiratet seid, wird wohl nichts geschehen, aber sobald die Ehe erst rechtskräftig ist, plant er Euren Tod.«
Barbara schüttelte den Kopf. Zweifellos war Matthias alles andere als ihr Traummann, und seine Art ihr gegenüber zeugte auch nicht gerade von groÃem Respekt. Die Ermordung seiner eigenen Frau zu planen war hingegen noch etwas ganz anderes, als sie schlecht zu behandeln.
»Matthias Isenbrandt hat es auf Euer Vermögen und die Handelsbeziehungen Eures Hauses abgesehen«, sagte Erich mit einem Tonfall, in dem eine erschreckende Gewissheit lag. »Eine Giftmischerin hat zugegeben, für Matthias eine Essenz angerührt zu haben, die Euch langsam dahinraffen soll, sodass niemand auf den Gedanken käme, Ihr wärt vergiftet worden.«
»Wo ist diese Giftmischerin jetzt? Ich würde gerne mit ihr sprechen!«
»Das ist nicht mehr möglich. Der Henker wurde
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