Die Bernsteinhandlerin
Matthias dann. »Zusammenhalt in der Familie ist doch das Wichtigste, wie Ihr sicher bestätigen könnt!«, fügte er noch mit einem Seitenblick auf Richard Kührsen hinzu.
»Gewiss«, nickte der Ãltermann. »Im Ãbrigen gibt es höchstwahrscheinlich niemanden in Lübeck, der die Bildung dieser starken Allianz zwischen den Isenbrandts und den Heusenbrinks nicht mit wachem Interesse verfolgen würde. Wie ich höre, soll der Preis von geschliffenem Bernstein bereits um ein Viertel gestiegen sein, weil jeder erwartet, dass in Zukunft mit diesem Stoff gute Geschäfte zu machen sein werden.«
»Das will ich doch wohl hoffen«, nahm Barbara Stellung.
»Wie man mir sagte, seid Ihr auch persönlich sehr in den geschäftlichen Dingen bewandert.«
»Ich habe viel von meinem Vater lernen dürfen.«
»In Zukunft werden Euch Eure Pflichten als Gemahlin des Herrn Isenbrandt freilich kaum noch Zeit dazu lassen, Euch selbst als Händlerin zu betätigen!«
»Ich hoffe, dass sich beide Pflichten miteinander vereinbaren lassen«, legte Barbara offen. »Aber sagt mir, Ãltermann Kührsen, da Ihr schon mal hier vor mir steht und es ganz gewiss nichts in Lübeck gibt, was Euren Augen und Ohren verborgen bleibt â¦Â«
»Allwissend ist nur der Herr«, warf Richard Kührsen mit einem matten Lächeln ein.
»Nun, Ihr als verdientes Mitglied des Rates werdet doch sicher zumindest gut informiert sein ⦠Ich habe ein paar Leute hier in diesem Saal über einen Henker reden hören, der selbst vor kurzem zu Tode gekommen sei.«
»Die Wege Gottes sind manchmal so klar und eindeutig, dass sie selbst ein Geschichtenerzähler und Sänger nicht besser zu erfinden wüsste«, sagte Kührsen.
»Könnt Ihr mir über das Schicksal dieses Henkers irgendetwas berichten? Ich nehme an, dass Ihr Euch als Mitglied des Rates ohnehin früher oder später mit der Angelegenheit befassen müsst, da es doch wohl der Rat sein wird, der einen Nachfolger bestimmt!«
»Ich will Eure Ohren nicht mit grausigen Einzelheiten vergiften â und schon gar nicht an einem Tag wie diesem, der allen Beteiligten doch zu einem Freudentag werden sollte!«, wich der Ãltermann der Schonenfahrer-Bruderschaft aus. Barbara studierte derweil genau jede Einzelheit in seinen Gesichtszügen. War an der Warnung Erich von Beldens etwas dran? Setzte das Verhalten des Ãltermanns irgendein Zeichen, das sich in dieser Hinsicht deuten lieÃe? Zunächst einmal lenkte Richard Kührsen seinen Blick kurz in Matthiasâ Richtung.
Es war ein hilfesuchender Blick, aber wer von Matthias Isenbrandt Hilfe erwartete, war wohl in jedem Fall schlecht beraten, wie Barbara fand. Dessen Aufmerksamkeit gehörte gerade ganz eindeutig nicht ihnen. Die Augen des Isenbrandt-Sohnes suchten im Saal nach etwas â oder vielmehr nach jemandem!, vermutete Barbara, der die Blicke, die ihr zukünftiger Gemahl der Magd zugeworfen hatte, natürlich nicht entgangen waren. Und natürlich war ihr ebenso wenig entgangen, dass es sich bei dieser Magd nicht um jene junge Frau handelte, mit der sie Matthias auf einem Diwan im Haus der Isenbrandts mehr oder minder in flagranti erwischt hatte.
Barbara nahm den Ãltermann Kührsen am Arm, hakte sich bei ihm unter und führte ihn ein paar Schritte von den beiden anderen fort. Das konnte ihr bei diesem älteren Herrn niemand ernsthaft als Verletzung der Schicklichkeit auslegen, und sogar Matthias gegenüber war das als Pflege guter Beziehungen zum Rat zumindest vordergründig erklärbar. »Erzählt mir ruhig die grausigen Einzelheiten«, forderte Barbara. »Sagt man nicht, dass es die Menschen erzieht, wenn sie vom Ungeschick anderer hören?«
»Gewiss!«
»Oder von deren gerechter Bestrafung, sodass sie sehen, wie es jenen ergeht, die die Gebote Gottes missachten?«
»Nur aus diesem Grund werden Hinrichtungen zumeist öffentlich durchgeführt!«
»Und je schändlicher das Verbrechen, desto wichtiger ist, dass die Bestrafung in aller Ãffentlichkeit geschieht, nicht wahr?«
»Gewiss!«
»Ist denn das auch bei dieser Giftmischerin geschehen, von der die Leute auf der StraÃe so viel reden?«
Das Gesicht Richard Kührsens gefror zu einem eisigen Lächeln.
»Es ist unter Eurer Würde, auf das Geschwätz der StraÃe zu hören«, meinte er.
Barbara
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