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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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Füße tretet, Barbara. Da Ihr ja so um Eure und meine Außenwirkung besorgt seid – in diesem Fall wäre sie ganz gewiss fatal!«
    Â»An mir soll es nicht liegen, wenn das Bild der Harmonie gestört wird«, erklärte Barbara trotzig.
    Â»Na, wenn das so ist, bin ich ja beruhigt.«
    Â 
    Die Stimme von Thomas Bartelsen drang mit einer ziemlich eindringlichen Schilderung dessen, was dem örtlichen Henker geschehen war, in Barbaras Gedanken und fesselte für ein paar Augenblicke ihre Aufmerksamkeit.
    Â»Die Raben hatten sich bereits an seinem Körper gütlich getan, und er muss einen ziemlich grausigen Eindruck bei jedem Betrachter hinterlassen haben«, meinte er. »Also, ich bin froh, nicht gerade zufällig mit dem Wagen diesen Weg genommen zu haben! Schließlich hatte ich für unser Haus in Hamburg zu tun, und normalerweise wäre es sogar günstiger, also möglich gewesen, dass ich über den Schindacker gefahren wäre. Aber
erstens habe ich diesmal einen Umweg machen müssen, da mir Herr Isenbrandt noch aufgetragen hatte, eine Vertragsangelegenheit in einem etwas abseits der Wege gelegenen Ort zu regeln, und zweitens muss der Tote auch schon längst verscharrt worden sein, als ich mich später der Stadt näherte.« Bartelsen schüttelte den Kopf und unterstrich seine Worte mit einer ausholenden Geste.
    Â»Gibt es denn inzwischen schon einen Nachfolger für den Henker?«, fragte nun Hildegard Isenbrandt, die bisher die meiste Zeit über nur traurig und in sich gekehrt geschwiegen hatte.
    Bartelsen gab bereitwillig Auskunft und schien die ungeteilte Aufmerksamkeit Hildegards regelrecht zu genießen. »Nein, einen Nachfolger gibt es noch nicht, und von den männlichen Nachkommen des Henkers ist wohl auch niemand bereits alt genug, um die Anforderungen tatsächlich erfüllen zu können.«
    Â»Dann steht unsere Stadt im Augenblick ja ohne Gesetz da«, stieß Hildegard hervor. »Jemand muss schließlich die Urteile vollziehen, die im Namen des Gesetzes gefällt werden.«
    Â»Keine Sorge, es wird sich rasch ein Nachfolger finden«, versicherte Bartelsen. »Unter den Schlitzohren und Halsabschneidern in der Stadt ist so mancher Henkerssohn, der weder hier noch anderswo eine Anstellung gefunden hat und dem dann nur ein anderer ehrloser Broterwerb bliebe … Da wird schon jemand darunter sein, der dieses Handwerk ausüben kann!«
    Â»Trotzdem«, beharrte Hildegard. »Ich glaube, dass es einen schlechten Einfluss auf die Leute hat, wenn sie wissen, dass kein Henker in der Stadt ist – und sei es nur für kurze Zeit! Ihr werdet es sehen! Jedenfalls werde ich wohl kaum noch hinausgehen, bis die Nachfolge geregelt ist!«

    Barbara hörte kaum zu. Stattdessen ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und schaute mal hierhin und mal dorthin. In den Tagen, die sie nun schon in Lübeck verbracht hatte, hatte sie bereits einen erheblichen Teil der Kaufmannschaft kennen gelernt – und ihr war durchaus bewusst, wie wichtig diese Kontakte für die Zukunft sein würden. So war sie stets bemüht, sich zu jedem Gesicht auch den Namen und vor allem den der Familie zu merken, zu der der Betreffende gehörte.
    Ã„ltermann Richard Kührsen schritt jetzt durch den Raum. Auch er war ihr inzwischen vom Ansehen her bekannt. Zielstrebig näherte sich der Ältermann der Schonenfahrer ihrem Tisch. Sein Gesicht wirkte angestrengt. Er begrüßte Barbara höflich, aber letztlich desinteressiert, und wandte sich dann an Matthias.
    Â»Es gibt etwas zwischen uns zu besprechen, das keinen Aufschub duldet, Matthias.«
    Â»Wollt Ihr mir das Fest an meinem Freudentag verleiden?«, lachte Matthias und tätschelte Barbara den Rücken, wie es vielleicht ein Viehbauer mit seinem Rind machte, das er auf dem Viehmarkt zum Verkauf anpreisen wollte. Er hat zwei Gesichter!, dachte Barbara: eines, das er nach außen zeigt, und eines, von dem ich schon viel zu viel gesehen habe.
    Â»Macht kein Aufsehen, Matthias«, forderte Richard Kührsen, »es wird auch nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber es gibt da ein paar Dinge, die Ihr unbedingt sogleich wissen solltet.«
    Â»Also gut.« Matthias erhob sich und machte Barbara gegenüber eine Geste, die wie das Zerrbild einer höflichen Verbeugung wirkte. »So reißen uns die Erfordernisse des Geschäftes bereits auseinander, ehe wir

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