Die Bernsteinhandlerin
genug war.
Rupertus schien den Ordensritter zunächst überhaupt nicht zu bemerken, so vertieft war er in sein Gebet. Erst als Arnulf sich neben ihn kniete und die Hände faltete, hielt Rupertus inne.
»Ich muss mit Euch sprechen, Rupertus.«
»Ist es wieder das leidige Thema, dessen wir uns bereits ein um das andere Mal annehmen mussten, wenn Ihr auf der Memelburg weiltet?«
»Ich kenne Euch seit vielen Jahren, und wenn ich einem geistlichen Rat vertraue, dann dem Euren, Rupertus. Ich hoffe, das ist Euch bewusst.«
»Ihr möchtet die Beichte abgenommen bekommen?«
»Ich habe nichts zu beichten«, erklärte Arnulf. »Was ich zu sagen habe, betrifft einen anderen â und Ihr wisst es, denn es ist, wie Ihr schon sagtet, nicht das erste Mal, dass wir darüber sprechen!«
Rupertus neigte etwas das Haupt. Er schien es vermeiden zu wollen, dem Blick seines Ritterbruders direkt zu begegnen, während dieser den Kaplan unentwegt von der Seite aus ansah.
»Ihr habt das Gelübde des Gehorsams abgelegt«, gab Rupertus schlieÃlich nach einer längeren Pause des Schweigens zu bedenken. »Und so kann auch allein der Gedanke an einen eventuell zu begehenden Ungehorsam eine Sünde sein, die gebeichtet werden sollte und der Absolution bedarf.«
»Ich habe dieses Gelübde abgelegt, das mag sein«, gab Arnulf zu. »Aber der Gehorsam gilt in erster Linie dem Orden als Ganzem.«
»Und um den macht Ihr Euch Sorgen?«
»Zumindest um die Führung dieser Komturei, die allerdings nicht irgendeine Komturei ist, sondern an einer ganz entscheidenden Stelle liegt â¦Â«
»⦠nämlich auf dem schmalen Streifen, der den livländischen Teil des Ordenslandes mit dem südlichen Teil verbindet«, vervollständigte der Priesterbruder.
»Er gibt sich seit langem heidnischen Ritualen hin, Bruder Rupertus!«
»Das ist nichts Neues«, meinte Rupertus. »Er hofft auf Genesung, und ich bin froh, dass mein Glaube nicht auf dieselbe Weise auf die Probe gestellt wird, wie es bei Hermann von Schlichten der Fall ist! Im Angesicht des Todes wären viele von uns bereit, Quacksalbern und Scharlatanen zu glauben.«
»Doch er sucht sein Heil nicht in der Wirkung von Reliquien, er sammelt stattdessen Grabtafeln der Heiden!«
»Lasst niemals eine kurische Marktfrau hören, dass Ihr so über ihr Volk denkt â sie wird Euch verhexen, Arnulf!«
Arnulf von Brindig wirkte ärgerlich. Er erhob sich und bekundete: »Ich meine es ernst! Wir müssen etwas unternehmen! Der Komtur ist dem Aberglauben der Heiden verfallen und behält Bernstein ein, um sich heidnische Götzenbilder von zweifelhafter Herkunft besorgen zu lassen. Ein Mitbruder hat mir berichtet, dass er sich sogar einen Hengstschädel von einem kurischen Zauberer geben lieÃ. Der ist das Zeichen des Donnergötzen Perkunas, falls Ihr es nicht wissen solltet!«
»Lieber Ritterbruder, nun übertreibt nicht.«
»Ich übertreibe?«
»An den Firsten der Hälfte aller Häuser in Kurland findet man solche Hengstschädel, um die Bewohner vor Blitzen zu schützen. Selbst hier in der Stadt an der Memelburg ist das zu sehen, und noch nie hat irgendein Komtur daran gedacht, dagegen etwas zu unternehmen oder gar die Pferdeschädel von den Häusern zu reiÃen, denn das würde nur Aufruhr unter der Bevölkerung verursachen. Und deren Unterstützung braucht unser Orden, wenn er seine Herrschaft über das Land behalten will.«
»Ihr wollt mich anscheinend nicht verstehen, Rupertus!«, entfuhr es Arnulf um einiges heftiger, als er es eigentlich beabsichtigt hatte.
Rupertus stand jetzt ebenfalls auf und sah seinen Ritterbruder
offen an. Er hob leicht die Schultern und öffnete die Handflächen. »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein, so spricht unser Herr Jesus. Unser Komtur hat vielleicht noch die Kraft, ein passabler Commendator zu sein und dem Orden in dieser höchst wichtigen Gegend die Herrschaft zu erhalten â aber muss er deshalb auch die Kraft haben, das Martyrium in derselben Weise anzunehmen, wie es unser Herr getan hat, als man ihn ans Kreuz schlug? Unser Komtur ist so fehlbar wie viele von uns. Ein Mensch, der klein und schwach geworden ist im Angesicht dessen, was ihm der Herr an Prüfungen auferlegt hat!«
»Es geht mir nicht um die Verirrungen des Aberglaubens, denen Hermann
Weitere Kostenlose Bücher