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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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Commendator lässt sich entschuldigen«, erklärte Bruder Rupertus. »Es geht ihm sehr schlecht.«
    Â»Dann richtet ihm meine Grüße und meine Genesungswünsche aus«, erwiderte Barbara.
    Â»Eure Anteilnahme wird ihn gewiss erfreuen. Wenn es ihm besser ginge, dann wäre er sicher selbst hier, um Euch zu verabschieden.«
    Barbara stieg in den Sattel. Und Erich folgte ihrem Beispiel im nächsten Augenblick. »Sagt, Kaplan, wo ist Euer Ritterbruder Arnulf geblieben?«
    Â»Ich weiß es nicht«, erklärte Rupertus. »Der Komtur hat ihn möglicherweise schon in aller Frühe mit einer wichtigen Aufgabe betraut. Jedenfalls seid Ihr nicht die Ersten, die heute die Memelburg verlassen, und es war mir so, als hätte heute Morgen ein Trupp Reiter bereits die Zugbrücke des äußeren Burghofs passiert.«
    Â»Richtet auch ihm Grüße aus. Wer weiß, wann das Schicksal uns wieder zusammenführen wird.«
    Â»Die Wege des Herrn sind unergründlich und manchmal voller Rätsel. Werdet Ihr heute bis Grobin reisen?«
    Â»Man wird sehen«, sagte Erich.
    Grobin war das nächste Feste Haus des Ordens, gut einen Tagesritt entfernt. Barbara sah eigentlich keine Alternative, als sich dorthin zu wenden. Der Weg den schmalen, wenig bewohnten Küstenstreifen entlang, der die beiden Landesteile des Ordens miteinander verband, war die einzige halbwegs gefahrlose Möglichkeit, nach Norden zu gelangen. Der Weg nach Riga quer durch das Binnenland wurde wegen der vielen ungewissen Risiken, die dort lauerten, tunlichst vermieden.
    Warum fragt der Kaplan danach?, schoss es Barbara durch den Kopf. Sie begegnete Erichs Blick, und mit einem Mal war ihr klar, dass er anscheinend denselben Gedanken hatte.

    Genau in diesem Augenblick erscholl der durchdringende Schrei einer Frauenstimme. Der grauenhafte Laut drang aus einem der landwirtschaftlichen Nebengebäude am inneren Burghof. Selbst der Burgkaplan zuckte regelrecht zusammen. Erich ließ sich aus dem Sattel gleiten, und auch Barbara stieg wieder von ihrem Pferd herab, auch wenn sie das auf Grund ihrer unpraktischeren Kleidung nicht ganz so schnell hinbekam. Ein zweiter, noch grausigerer Schrei folgte, sodass man hätte denken können, dass in dem hölzernen Schuppen, aus dem er drang, gerade ein hochnotpeinliches Verhör durchgeführt wurde. Während Erich bereits zu dem Gebäude lief, gab Barbara die Zügel der Pferde an den Stallburschen und folgte dem Ritter von Belden. Sie war gezwungen, dabei etwas ihre Kleider zusammenzuraffen, aber dem Kaplan ging es in seinem Ornat keineswegs besser als ihr.
    Eine junge Magd stürzte mit schreckgeweiteten Augen aus dem Schuppen. Sie schien völlig von Sinnen zu sein und schlug wild um sich. Ihr Blick wirkte leer, so als hätte sie das pure Entsetzen der wahrhaftigen Hölle geschaut. Erich fing sie auf und hielt ihre Arme fest, nachdem sie mit den Fäusten auf seinen Brustkorb getrommelt hatte.
    Â»So beruhige dich!«, rief er, aber der dunkle Klang seiner Stimme verfehlte in diesem Fall vollkommen seine Wirkung. Sie wurde noch rasender. In einer Mischung aus Kurisch, Prussisch und plattem Düdesch formte ihr Mund jetzt scheinbar sinnlose, unzusammenhängende Worte. Nur ein Ausdruck war immer wieder zu hören und deutlich zu verstehen. »Der Teufel!«, schrie sie. »Der Teufel!«
    Der Kaplan hatte zu beten begonnen und hielt das Kreuz, das er um den Hals trug, nun vor sich, wie es ein Ritter mit seinem Schutzschild zu tun pflegte. Aber er ging nur einen einzigen Schritt vorwärts und blieb dann wie angewurzelt stehen,
als aus dem Inneren des Gebäudes ein Geräusch zu hören war. Er war bleich geworden, und seine Stimme vibrierte leicht, während er weiter vor sich hin betete.
    Barbara begab sich jedoch entschlossen durch die halb offen stehende Tür des Schuppens. »Man muss auch dem Schrecklichen ins Auge sehen!« , hatte sie die Worte ihres Vaters im Ohr.
    Diese Worte gehörten zu einer der frühesten Erinnerungen ihres Lebens. Ihr Großvater war gestorben, und er hatte aufgebahrt im Kaminzimmer des Heusenbrink’schen Hauses in Riga gelegen. Zuerst hatte sie gar nicht hinsehen wollen, dann hatte ihr Vater zu ihr diese Worte gesprochen. Worte, die ihr damals Mut eingeflößt hatten und es noch heute taten, wann immer diese Erinnerung in ihr aufstieg. Derartige Dinge anzusehen und ihnen entgegenzutreten

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