Die Bernsteinhandlerin
jemand von uns berichtet, wird er demnach nicht von einer edlen Dame und einem Ritter berichten, sondern von einem heruntergekommenen Söldner und einem Knecht.«
»Vielleicht habt Ihr recht.«
»Ich habe mich in der Frage des Weges Euren Argumenten gefügt, aber gerade darum solltet Ihr in diesem Fall auf mich hören.«
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So als wollte der kurische Donnergötze Perkunas den Entschluss, in Polangen einzukehren, noch einmal nachhaltig unterstützen, kam ein Schauer auf, der heftiger war als alles, was Barbara an diesem Tag schon an schlechtem Wetter hatte über sich ergehen lassen müssen. Es war, als ob die Schleusen des Himmels sich innerhalb von Augenblicken völlig geöffnet hätten und ihre gesamten Vorräte an Nässe auf einmal herauslieÃen. Die Nässe war längst durch die letzten Schichten ihrer Kleidung gedrungen. Sie trieb ihr Pferd an. Ihre Schenkel schmerzten von dieser dauernden Anspannung, an die sie nicht gewöhnt war, und waren auf Grund der feuchten Kälte überdies völlig verkrampft.
Gemeinsam mit Erich erreichte sie die ersten Häuser von Polangen. In der Zwischenzeit nahm der Regen immer mal wieder an Heftigkeit zu und wieder ab, sodass Barbara das Gefühl hatte, der Himmel selbst würde atmen.
In Polangen waren die Häuser mit den kurischen Hengstköpfen
in der Ãberzahl. Fast alle Gebäude trugen dieses Zeichen, und sehr häufig waren daneben zugleich Kreuzeszeichen angebracht, damit man den Bewohnern kein Heidentum vorwerfen könnte. AuÃerdem waren sie vermutlich der Ãberzeugung, dass man sich am besten des übernatürlichen Beistandes aller Religionen versichern sollte, wenn man in einer so unruhigen Gegend so dicht am Meer lebte.
Niemand war bei diesem Wetter im Freien. Einige der am Strand liegenden Boote waren bereits bis zum Rand mit Wasser gefüllt und im Begriff überzulaufen. Ein aufgespanntes Fischernetz hatte es weit weggeweht. Es war schlieÃlich im Geäst eines der wenigen Bäume, die es im Ort gab, hängen geblieben.
Ein paar Schweine quiekten, als stünde ihnen die Schlachtung bevor, und ein Hund übertönte sie mit seinem heiseren Gekläff. Nicht einmal ihn hatte man zu dieser Stunde vor die Tür jagen wollen.
»Scheint alles ruhig hier zu sein!«, meinte Erich, nachdem er den Blick prüfend hatte schweifen lassen. Nichts deutete darauf hin, dass hier ein Hinterhalt drohte. Barbara bemerkte, dass seine Augen den Boden absuchten. Er suchte wahrscheinlich nach Pferdespuren, um ermessen zu können, ob in letzter Zeit Reiter und Wagen nach Polangen gelangt waren.
Aber das war wohl nicht mehr erkennbar, denn der Boden war derart feucht und schlammig geworden, dass die Hufe der Pferde bis zu den Fesseln einsanken, wenn das Tier nur für eine kurze Weile stillstand.
Barbara zeigte mit dem Finger auf eines der Häuser, das nach der Kirche das gröÃte Gebäude am Ort war und darüber hinaus auch das einzige, das über zwei Stockwerke verfügte. Es war wie die Kirche aus Stein, während fast alle anderen Gebäude Langhäuser in Fachwerkbauweise waren. Nur der unvermeidliche Hengstkopf prangte auch hier am Giebel.
»Das ist es«, sagte Barbara.
So lenkten sie ihre Pferde unverzüglich zu dem Haus, stiegen ab und machten die Tiere an einer Querstange fest. Erich klopfte gegen die Tür.
Ein Mann von sehr kräftiger Statur öffnete. Er musterte Erich eingehend von oben bis unten und schaute dann Barbara an.
»Ich bin es, Barbara Heusenbrink!«, gab sich Barbara zu erkennen. »Erinnert Ihr Euch nicht mehr an mich, Algirdas?«
Dass man dem Wirt Algirdas den Beinamen Grobehand gegeben hatte, konnte nicht verwundern â seine Hände waren ungewöhnlich groà und kräftig. Sein breites Gesicht hatte allerdings einen gutmütigen Ausdruck.
Algirdas rief etwas in den Raum hinein, von dem weder Barbara noch Erich auch nur ein einziges Wort verstanden. AnschlieÃend winkte er die beiden Reisenden herein. »Kommt nur herein! Es ist mir eine Ehre, Euch zu begrüÃen ⦠Um die Pferde werden sich meine Knechte kümmern!« Sie lieÃen sich nicht lange bitten, sondern traten ein. Algirdas fuhr inzwischen fort: »Ja, früher diente ich anderen â jetzt bin ich selbst ein Herr, wie Ihr seht!«
»Es scheint Euch gut zu gehen«, bemerkte Barbara.
»Ich habe eine kurische Frau geheiratet, die halbe
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