Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
Vom Netzwerk:
Barbara.
    Â»Dazu kann ich Euch auch nur raten! Nach diesem Regen werden die Wege weiter nördlich so versumpft sein, dass Ihr mindestens die doppelte Zeit berechnen müsst – und das bedeutet, Ihr würdet es heute wohl bis Grobin nicht mehr schaffen.«
    Barbara nickte nur und hielt ihre Hände über das Feuer.
    Algirdas sprach jetzt Erich an. »Ihr habt Glück, zurzeit ist keines meiner Zimmer belegt.«
    Â 
    Die beiden Knechte, die sich um die Pferde gekümmert hatten, kamen wieder zurück in die Gaststube.
    Ein Fensterladen klapperte – der Sturm schien an Heftigkeit noch zuzunehmen.
    Barbara und Erich bekamen ein heißes Getränk angeboten, das einen durchdringenden, aber angenehmen Geruch hatte.
    Â»Was ist das?«, erkundigte sich Barbara.
    Â»Ein kurischer Kräutersud, der Euch von innen besser aufwärmen wird als jedes Feuer!«
    Â»Hat Eure Frau den aufgebrüht?«
    Â»Keine Angst, das hat sie bereits vor einer geraumen Weile getan, und wenn es ihre Absicht gewesen wäre, jemanden zu verhexen, dann gewiss nicht Euch! Schließlich konnte sie ja nicht ahnen, dass wir heute noch Gäste bekommen.«
    Barbara lächelte. »Könnte sie das nicht geahnt haben, wenn sie wirklich eine Hexe wäre?«

    Algirdas lachte. »Sie ist gewiss vielseitig begabt, aber die Vorausschau gehört nicht zu ihren Fähigkeiten!« Dann beugte er sich etwas vor und sprach in gedämpftem Tonfall weiter. »Glaubt Ihr, dann würde ich mich mit einem Wirtshaus begnügen? Vielmehr würde ich die Seherdienste meiner Frau an die Großen und Mächtigen vermitteln und damit ein Vermögen anhäufen, gegen das selbst das Geschäft mit dem Bernstein ein Nichts ist!«
    Â»An Geschäftstüchtigkeit scheint es Euch ja nicht zu mangeln«, meinte Erich mit einer Mischung aus Anerkennung und Spott.
    Wenig später kam Algirdas’ Frau aus einem der Nebenräume, mit einem kleinen Kind auf dem Arm. Sie begrüßte die Gäste, sprach aber nur Kurisch, sodass man sie nicht verstehen konnte. Ihr Name lautete Egle, und sie deutete auf ihr Kind, als sie auch dessen Namen nannte: »Jurate.«
    Â»Jurate?«, fragte Barbara. »Also wie die Meerjungfrau im Bernsteinschloss!« Sie wandte sich an Erich. »Die Geschichte von Jurate erzählt man überall in Kurland und Livland. Selbst in Riga kennt man sie. Und man erzählt sie überall etwas anders.«
    Â»So klärt mich auf!«
    Doch das ließ sich Algirdas nicht nehmen. »Die unsterbliche Meerjungfrau Jurate wohnte in ihrem Bernsteinschloss, tief unten auf dem Grund des Meeres. Von dort aus regierte sie über die See und ihre Bewohner. Aber ein junger Fischer störte den Frieden ihres nassen Reiches, denn er fing zu viele Fische, sodass man sich über ihn beschwerte. Da sollte Jurate den Fischer bestrafen, doch anstatt ihn zu strafen, verliebte sie sich in ihn, nahm ihn mit in ihr Reich der Tiefe und lebte dort glücklich mit ihm in ihrem Bernsteinschloss.«
    Â»Eine rührende Romanze, wie man sie andernorts mit Rittern und Burgdamen zu berichten weiß«, kommentierte Erich.
    Â»Das ist noch nicht das Ende«, ergänzte Algirdas. »Perkunas, der unsterbliche Herr des Donners, war erzürnt darüber, dass die ebenfalls unsterbliche Meerjungfrau Jurate sich mit einem sterblichen Fischer eingelassen hatte. So schleuderte er in seiner Wut einen Blitz, der bis in die Tiefe der See hinabreichte. Dieser Blitz tötete den Fischer und ließ das Bernsteinschloss in tausend Splitter zerspringen. Seitdem spült das Meer nach jedem Sturm Bernstein an den Strand. Und wenn der Wind heult, dann horcht genau hin, denn es kann sein, dass Ihr Jurates Klage hört, wenn sie ihren Geliebten beweint …«
    Â»Dann solltet Ihr dafür beten, dass Eurer kleinen Jurate ein solch tragisches Schicksal erspart bleibt«, mahnte Erich.
    Algirdas seufzte. »Davor mögen der Herr und alle kurischen Götter sie schützen. Ich persönlich glaube im Übrigen ja, dass Perkunas in Wahrheit selbst ein Auge auf Jurate geworfen und sie ihn verschmäht hatte. Aber kann einen das verwundern? Welche Frau will schon einen Gefährten mit einem Pferdegesicht!«
    Â 
    Algirdas führte Barbara und Erich zu den Zimmern im Obergeschoss. Außer als Gästezimmer dienten sie noch als Abstellkammern oder Unterkunft für die Knechte, die dann im Stall zu

Weitere Kostenlose Bücher