Die Bernsteinhandlerin
gar nicht da.
»Da war ein Mann, mit dem er sich getroffen und von dem er mir nicht gesagt hat, wer das war â¦Â«
»Kannst du ihn mir beschreiben?«
»Ich habe ihn bloà einmal aus der Ferne gesehen, und die Kapuze seines Mantels lieà kaum etwas von seinem Gesicht erkennen. Nicht einmal sein Alter könnte ich Euch sagen.«
»Hat er deinem Mann Geld gegeben?«
»Ja.«
»Wo sind diese Münzen jetzt?«
Maria schwieg â und Johannes von Werndorf begriff sofort die Ursache. Sie hatte Angst, diesen kleinen Reichtum abgeben zu müssen, was eigentlich rechtmäÃig gewesen wäre. SchlieÃlich beinhaltete die Vollmacht des Hochmeisters auch das Recht zur Beschlagnahme von allem, was irgendwie zur Aufklärung beitragen konnte. Davon abgesehen stand es ihr auch deswegen nicht zu, weil es sich sehr wahrscheinlich um eine Art Blutgeld handelte, sprich die Anzahlung auf einen in Auftrag gegebenen Meuchelmord.
»Ich weiÃ, was rechtens ist, und du weiÃt es auch!«, betonte Johannes mit allem Nachdruck. »Zwing mich nicht, mir mit Gewalt zu holen, was ich sehen muss! Ich würde dabei wertvolle
Zeit verlieren â und du vielleicht Ohren, Nase oder gar das Leben, falls du von schwacher Konstitution sein solltest.«
Maria schluckte. Alsdann ging sie ein paar Schritte zur Seite, kniete nieder und löste ein FuÃbodenbrett. Darunter war eine kleine Erdgrube angelegt worden. In ihr lag ein grob gezimmerter und mit Pech abgedichteter Kasten aus Holz. Sie hob den Kasten aus dem Erdloch heraus und setzte ihn auf den Tisch. Im Raum breitete sich ein muffiger Geruch aus.
Zuletzt trat Maria einen Schritt zurück. Johannes öffnete den Kasten. In ihm war ein Beutel mit Münzen zu finden, auÃerdem ein Kruzifix sowie ein zweiter, sehr kleiner Beutel, den wahrscheinlich jemand an einem Lederriemen um den Hals getragen hatte. Als Erstes lieà Johannes die Münzen aus dem gröÃeren, aus grobem Sackleinen gefertigten Beutel in die linke Handfläche rutschen. »Einige dieser Münzen sind in Riga geprägt worden«, stellte er fest.
»Darüber weià ich nichts. Sie sind aus Silber â und das zählt«, sagte Maria.
AnschlieÃend nahm der Ritterbruder den kleinen Lederbeutel. Er öffnete ihn. Ein Amulett rutschte heraus. Es schimmerte bronzefarben. Auf der Grundfläche fielen ihm sofort drei emaillierte schwarze, von einem ebenfalls schwarzen Ring umgebene Kreuze ins Auge.
»Also doch!«, murmelte Johannes von Werndorf. Der Feind, gegen den er anzutreten hatte, war ihm offenbar mehr als nur einen Schritt voraus.
DREIZEHNTES KAPITEL
Ritt ins Niemandsland
Die Lage, die ich bei meinem Amtsantritt vorfand, aber war dermaÃen schlimm, dass die Ãbelwollenden nicht davor zurückschreckten, selbst Bernsteinvögte zu töten, wenn sie dem Gesindel nicht hörig waren. So kann ich froh sein, überhaupt noch genug Männer finden zu können, die sich für die Erfüllung dieser wichtigen und aufopferungsvollen Aufgabe zur Verfügung stellen und dabei ihr Leben riskieren.
Ludwig von Erlichshausen, Geheimes Diarium
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Barbara erwachte mitten in der Nacht. Der Sturm hatte wieder aufgefrischt, und der Wind heulte um die Häuser, aber es regnete nicht. Er wehte auflandig, das heiÃt vom Meer her, und das bedeutete wohl eine reiche Ausbeute an Bernstein in den nächsten Tagen, sodass an der ganzen Küste überall ungezählte Sammler auf die Suche gehen würden.
Doch da war noch ein anderes Geräusch, das sich in das Heulen des Windes mischte. Jemand polterte heftig gegen die Tür von Algirdasâ Gasthaus. Heisere Stimmen waren zu hören. Im Schankraum wurde der Riegel an der Tür zur Seite geschoben und diese anschlieÃend mit einem Knarren geöffnet. Barbara vernahm erneut eine Stimme und glaubte, dass es Algirdas wäre, der sprach. Verstehen konnte sie allerdings kein
Wort. Ein Pferd wieherte. Barbara war nun hellwach und erhob sich. In dem Zimmer, in dem sie auf einer einfachen Holzpritsche in einen Schlaf der Erschöpfung gefallen war, war es nahezu stockdunkel. Wie der Knecht, der normalerweise auf dieser mit Stroh ausgelegten Holzpritsche schlief, eine derart unbequeme Lagerstatt auszuhalten vermochte, ohne dass ihm ständig alle Knochen im Leib wehtaten, war Barbara ein Rätsel. Sie war für ihre Person diesbezüglich natürlich einen anderen Komfort
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