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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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gewohnt und vermisste den mittlerweile auch. Selbst die bewusst spartanisch gehaltenen Quartiere auf den Ordensburgen boten mehr Annehmlichkeiten. Barbara ertastete einen der metallenen Riegel, mit denen die Fensterläden von innen geschlossen waren, und öffnete ihn.
    Durch einen schmalen Spalt zwischen den Fensterläden blickte sie aus dem Obergeschoss in die Tiefe und erspähte mindestens zwanzig Reiter, die nach Polangen geritten waren und vor dem Gasthaus standen. So mancher Helm spiegelte das fahle Licht des Mondes wider. Alle waren schwer bewaffnet. Sie trugen Armbrüste, Schwerter und Streitäxte, und ein paar von den Männern hatten zudem Hakenbüchsen an ihre Sättel geschnallt. Ordensritter waren diese Männer ganz sicher nicht. Sie erinnerten eher an die zusammengewürfelte Horde, die ihr auf der Nehrung aufgelauert und sämtliche Mitglieder ihres Trosses getötet hatte. Ob jemand unter ihnen gebrandmarkt war, konnte Barbara in der Dunkelheit nicht erkennen. Sie sichtete jetzt allerdings Algirdas, der ein paar Schritte zu ihnen hinausgegangen war.
    Mit einem großen, kräftigen Mann sprach er in plattem Düdesch, und zumindest das, was der Wind nicht verschluckte, konnte Barbara verstehen. Es ging wohl darum, dass der Anführer der Reiter, an dem das Auffälligste der Hut mit der langen Fasanenfeder war, hinter jemandem her war und Algirdas
ihm klarzumachen versuchte, dass der Mann mit seinem Gefolge anderswo nach den beiden suchen sollte.
    Â»In der Tat waren sie hier – ein Mann und eine Frau, die einen Kragen mit breitem Pelzbesatz trug«, bestätigte Algirdas. »Der Mann hat viel Bier getrunken. Er ist Ritter und hatte einen monströsen Beidhänder an seinem Sattel festgemacht. Der Pelzkragen am Frauengewand war so breit, wie man es von den eingebildeten Patrizierfrauen aus Riga oder Danzig kennt.«
    Â»Haben sie darüber gesprochen, wohin sie zu reiten beabsichtigten?«, fragte der Anführer.
    Â»Es fiel der Name von Burg Grobin.«
    Â»Der übliche Weg also.«
    Â»Wenn Ihr Euch beeilt, so müsstet Ihr sie noch einholen, bevor sie die Burg erreichen – denn die Wege werden inzwischen morastig sein! Wir hatten einen Sturm, und danach ist es immer etwas schwieriger, nach Norden zu gelangen.«
    Â»Dann werden sie sich voraussichtlich mindestens bis zur Mündung der Heiligen Aa an den Verlauf des Strandes halten«, wandte sich der Anführer mit dem Fasanenfederhut an seine Männer und schwang sich wieder in den Sattel. Er warf Algirdas eine Münze hin.
    Â»Nimm das!«, sagte er. »Du sollst uns nicht umsonst geholfen haben.«
    Â»Danke, Herr.«
    Â»Aber wenn sich herausstellen sollte, dass du uns belogen oder in die Irre geführt hast, dann kommen wir zurück und schneiden dir die Kehle durch.«
    Â»Ich habe Euch gesagt, was ich weiß. Und das kann ich bei meinem Leben beschwören!«, erwiderte Algirdas theatralisch, eine Hand zum Schwur erhoben. Doch das machte auf den Anführer der Reiter wenig Eindruck, was dieser mit einer wegwerfenden Geste unterstrich.

    Die anderen Männer lachten dröhnend.
    In diesem Augenblick riss eine Windböe die Fensterläden auf, durch deren Spalt Barbara geblickt hatte. Die Läden schlugen gegen das Haus und wieder zurück. Rasch drückte sich Barbara seitlich des nun offenen Fensters gegen die Zimmerwand und hoffte, dass sie niemand bemerkt hatte.
    Â»Spuken die Geister in deinem Haus, oder lieben deine Kinder die frische Luft?«, fragte der Mann mit dem Fasanenfederhut spöttisch und mit einer Stimme, die jetzt so schneidend klang, dass jedes einzelne Wort von ihm wie eine Beleidigung klang – ganz gleich, was immer er auch ausdrücken mochte.
    Â»Die ewigen Stürme …«, antwortete Algirdas. »Nichts ist unberechenbarer als das himmlische Kind. Wir haben hier schon so manches Mal seine furchtbare Gewalt zu spüren bekommen. Im letzten Frühjahr haben wir zum Beispiel fast das gesamte Dach verloren, ob Ihr es nun glaubt oder nicht!«
    Â»Halte mich nicht mit deinem Gewäsch auf, Wirt!«, erwiderte der Anführer unwirsch. »Und bete dafür, dass wir nicht zurückkehren.«
    Â»Herr …«
    Dann gab der Anführer seinem Pferd die Sporen und ließ das Tier voranpreschen. Sein Reitertross folgte ihm umgehend. Sie ritten auf den Strand zu, wo der Untergrund stets die gleiche Festigkeit hatte. Wie

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