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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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alle an, als wüsste er etwas, das ihnen unbekannt war. Während der letzten vier Monate hatte er tagtäglich bewiesen, dass er um Ecken blicken konnte. In diesem Augenblick, dicht umringt von seinen Untergebenen, wirkte er ernst, aber seine Miene gab nichts preis.
    Auf der anderen Seite des Raumes, nur ein paar Schritte entfernt, nahmen die Paytons und Jeannette am Tisch der Kläger Platz. Dieselben Stühle, dieselbe Haltung, dieselbe Strategie wie immer - um den Geschworenen den Eindruck zu vermitteln, dass eine arme Witwe und zwei einsame Anwälte es mit einem riesigen Unternehmen aufnahmen, das über unbegrenzte finanzielle Mittel verfügte. Wes blickte zu Jared Kurtin hinüber, und als ihre Blicke sich trafen, grüßten beide mit einem höflichen Nicken. Es grenzte an ein Wunder, dass diese Männer noch in der Lage waren, sich mit einem bescheidenen Maß an Höflichkeit zu begegnen, und sogar miteinander reden konnten, wenn es absolut unumgänglich war. Das war zu einer Frage der Selbstachtung geworden. Wie unangenehm die Situation auch war - und es hatte viele hässliche Situationen gegeben -, beide waren entschlossen, nicht auf Gossenniveau hinabzusinken, sondern dem anderen die Hand entgegenzustrecken.
    Mary Grace blickte nicht zu Kurtin hinüber. Hätte sie es getan, hätte sie weder genickt noch gelächelt. Und es war eine glückliche Fügung, dass sie keine Pistole in ihrer Handtasche hatte - andernfalls hätte die Hälfte der Männer in den dunklen Anzügen auf der anderen Seite des Raumes bereits am Boden gelegen. Sie rückte einen neuen Notizblock auf dem Tisch zurecht und kritzelte das Datum und ihren Namen darauf, dann fiel ihr nichts mehr ein. Während der einundsiebzig Prozesstage hatte sie Sechsundsechzig Blöcke mit Notizen gefüllt, die jetzt chronologisch geordnet in einem gebraucht gekauften Metallschrank in der Kanzlei standen. Sie reichte Jeannette ein Papiertaschentuch. Obwohl sie praktisch alles zählte, wusste Mary Grace nicht mehr, wie viele Taschentücher Jeannette während des Verfahrens verbraucht hatte. Wahrscheinlich mehrere Dutzend Päckchen.
    Die Frau weinte pausenlos, und obwohl Mary Grace ihr viel Mitgefühl entgegenbrachte, hatte sie die verdammte Heulerei satt. Eigentlich hatte sie alles satt - die Erschöpfung, den Stress, die schlaflosen Nächte, die ständige Konzentration, die Vernachlässigung ihrer Kinder und der anderen Mandanten, ihre heruntergekommene Wohnung, den Berg unbezahlter Rechnungen, das kalte chinesische Essen um Mitternacht und die tägliche Mühe, die Geschworenen durch eine perfekte Frisur und ihr Makeup zu beeindrucken, was von ihr erwartet wurde.
    Wenn man sich auf einen Prozess dieser Größenordnung einlässt, kommt es einem so vor, als wäre man mit einem Gewichtsgürtel in einen dunklen Teich voller Schlingpflanzen gesprungen. Irgendwie schafft man es, sich an die Oberfläche zu manövrieren, um Luft zu schnappen, aber was sonst auf der Welt vorgeht, ist einem egal. Und man glaubt ununterbrochen, ertrinken zu müssen.
    Ein paar Reihen hinter ihnen, am Ende einer sich rasch füllenden Bank, kaute der für die Paytons zuständige Bankmanager auf den Nägeln, sehr darum bemüht, nach außen ruhig zu wirken. Er hieß Tom Huff, wurde aber von allen Huffy genannt. Während der letzten Monate hatte er von Zeit zu Zeit vorbeigeschaut, um den Prozess zu beobachten und seinerseits ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken. Die Paytons schuldeten seiner Bank vierhunderttausend Dollar, und ihre einzige Sicherheit war ein Stück Farmland in Cary County, das dem Vater von Mary Grace gehörte. An einem günstigen Tag bekam man dafür vielleicht einhunderttausend, und damit blieb ein beträchtlicher Berg an ungesicherten Schulden. Wenn die Paytons den Prozess verloren, war seine einst vielversprechende Karriere beendet. Der Boss seiner Bank schrie ihn längst nicht mehr an. Mittlerweile kamen die Drohungen per E-Mail.
    Was ganz harmlos mit einem Kredit von neunzigtausend Dollar begonnen hatte, für den die Paytons eine zweite Hypothek auf ihr hübsches Eigenheim in der Vorstadt aufgenommen hatten, hatte sich zu einer finanziellen Katastrophe ausgewachsen, zu einem Meer von roten Zahlen, das durch unnötige Ausgaben immer größer wurde. Unnötig zumindest nach Huffys Meinung. Jetzt gab es das hübsche Haus nicht mehr, genauso wenig wie die schmucken Büroräume im Stadtzentrum oder die ausländischen Autos. Schlechthin alles hatte sich in Nichts aufgelöst. Die Paytons

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