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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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gekommen bist, dass du ihn siehst, hat er dich bestimmt längst bemerkt. Sobald sie dich bemerken, geben sie Alarm.«
    »Bo«, sagte Katsa, »lass mich bis zu diesem äußeren Ring aus Wachen mitkommen. Es sind so viele, und du brauchst vielleicht Hilfe.«
    »Nein«, sagte Bo.
    »Ich würde sie nur ausschalten und dann weglaufen.«
    »Nein, Katsa.«
    »Du wirst nie …«
    »Katsa!« Sein Ton war scharf. Sie verschränkte die Arme und schaute ins Feuer, atmete tief ein und schluckte angestrengt.
    »Schon gut«, sagte sie. »Leg dich jetzt schlafen, Bo, ich halte Wache.«
    Bo nickte. »Weck mich in zwei Stunden, dann löse ich dich ab.«
    »Nein. Du brauchst deinen Schlaf, wenn du diese Sache übernimmst. Ich werde heute Nacht Wache halten. Ich bin nicht müde, Bo«, sagte sie, als er widersprechen wollte. »Das weißt du. Lass mich.«
    Also legte sich Bo, in eine Decke gehüllt, neben Bitterblue schlafen. Katsa saß im Dunkeln und ging in Gedanken den Plan durch.
    Wenn Bo nicht vor Sonnenuntergang in ihr Lager über der Schlucht zurückkehrte, mussten Katsa und Bitterblue ohne ihn fliehen. Denn wenn er nicht kam, war der König noch am Leben, und dann konnte nichts außer Flucht Bitterblue vor ihm schützen.
    Dann musste Katsa Bo in diesem Wald voller Soldaten zurücklassen. Es war unvorstellbar für sie, und als sie dort in der Kälte und Dunkelheit auf einem Stein saß, erlaubte sie sich nicht, darüber nachzudenken. Sie achtete auf die leiseste Bewegung, horchte auf das kleinste Geräusch. Und weigerte sich, über all das nachzudenken, was morgen im Wald geschehen konnte.

In der frühmorgendlichen Kälte wachte Bo auf und suchte leise seine Sachen zusammen. Er zog Katsa an sich und hielt sie umschlungen. »Ich komme zurück«, sagte er, und dann war er fort. Sie hielt Wache, wie sie es die ganze Nacht getan hatte, und beobachtete den Weg, den er genommen hatte. Ihre Gedanken schob sie weg.
    An einer Schnur um den Hals trug sie einen Ring, den Bo ihr gegeben hatte, bevor er sein Pferd bestieg und über die Klippe ritt. Der Ring war kalt an ihrer Brust und sie nahm ihn zwischen die Finger, während sie auf den Sonnenaufgang wartete. Es war der Ring mit der Gravur, die zu den Schmuckbändern an seinen Armen passte. Der Ring, der Bos Schloss und seine Stellung als Prinz symbolisierte.
    Wenn Bo heute nicht zurückkehrte, dann musste sie Bitterblue nach Süden ans Meer bringen und ein Schiff finden, das sie an Lienids Westküste mitnahm, zu Bos Schloss. Kein Lienid würde sie aufhalten oder Fragen stellen, solange sie Bos Ring trug. Jeder von ihnen würde wissen, dass sie nach Bos Anweisungen handelte. Sie würden sie willkommen heißen und ihr beistehen. Und Bitterblue könnte sicher in BosSchloss leben, während Katsa überlegte und plante und darauf wartete, etwas von Bo zu hören.
    Als es hell wurde und Bitterblue aufwachte, brachten sie und Katsa das Pferd hinunter zum See, wo es trank und graste. Sie sammelten Holz für den Fall, dass sie eine weitere Nacht in diesem Lager verbringen würden. Sie aßen Winterbeeren von einem Gebüsch am Wasser. Katsa fing Fische für ihr Abendessen und nahm sie gleich aus. Als sie zu ihrem Felslager zurückkletterten, hatte die Sonne noch nicht einmal ihren höchsten Stand erreicht.
    Katsa dachte daran, zu trainieren oder Bitterblue den Gebrauch ihres Messers zu lehren. Doch sie wollte keine Aufmerksamkeit erregen mit dem Lärm, den das unweigerlich machen würde; noch wollte sie das geringste Anzeichen eines näher kommenden Feindes oder von Bo versäumen. Es gab nichts zu tun, als stillzusitzen und zu warten. Katsas Muskeln schienen ihre Ungeduld herauszuschreien.
    Am frühen Nachmittag tigerte sie mit geballten Fäusten im Lager hin und her, sie musste sich einfach bewegen. Bitterblue saß auf den Steinen in der Sonne, hielt das Messer in der Hand und beobachtete sie.
    »Bist du nicht müde?«, fragte Bitterblue. »Wann hast du zuletzt geschlafen?«
    »Ich brauche nicht so viel Schlaf wie andere Leute«, sagte Katsa.
    Bitterblues Blicke folgten ihr, während sie hin und her ging. »Ich bin müde«, sagte sie.
    Katsa blieb stehen und hockte sich vor das Mädchen. Sie befühlte ihre Hände und ihre Stirn. »Ist dir kalt, oder heiß? Hast du Hunger?«
    Bitterblue schüttelte den Kopf. »Ich bin nur müde.«
    Und natürlich war sie müde, ihre Augen waren groß und ihr Gesicht angespannt. Jeder normale Mensch in dieser Situation wäre müde. »Schlaf!«, sagte Katsa. »Dir kann

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