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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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stand. »Am Pferd sind die Medikamente!«, schrie sie, und das Mädchen kletterte rutschend zurück ins Lager.
    Katsa schleppte Bo hinauf auf trockenen Grund und setzte ihn hin. Auch die Kälte und Nässe konnten ihn töten. Sie musste die Blutung stillen und ihn warm und trocken bekommen. Oh, wie wünschte sie sich in diesem Moment Raffin herbei! »Bo«, sagte sie, »Bo, was ist passiert?« Keine Antwort. Bo! Bo! Kurz schlug er die Augen auf, aber der Blick war verschwommen, ungerichtet. Er sah sie nicht. Er übergab sich.
    »Also gut. Sitz still. Das wird wehtun«, sagte sie, doch als sie den Pfeil aus seiner Schulter zog, schien er es gar nicht zu merken. Seine Arme fielen leblos zurück, als sie das Hemd von seinem Rücken löste, und er übergab sich wieder.
    Bitterblue klapperte mit dem Pferd den Pfad herunter. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte Katsa. Und Bitterblue half ihr, in den Taschen Kleidungsstücke zu finden, mit denen sie ihn abtrocknen oder sein Blut stillen konnte, sie durchstöberten die Medikamente nach der Tinktur, die Wunden reinigte, und wuschen die blutigen Sachen im See.
    »Kannst du mich hören, Bo?«, fragte Katsa, während sie ein Hemd zerriss, um einen Verband zu machen. »Kannst du mich hören? Was ist mit dem König?« Er schaute matt zu ihr hoch, während sie seine Schulter verband. »Bo«, sagte sie immer wieder, »der König! Du musst mir sagen, ob der König noch lebt!« Doch er war verständnislos und sprachlos und so gut wie bewusstlos. Sie zog ihm Stiefel und Hose aus und trocknete ihn ab, so gut sie konnte, zog ihm eine andere Hose an und rieb seine Arme und Beine, um sie zu wärmen. Bitterblue gab ihm seine Jacke zurück, Katsa zog sie ihm über den Kopf und schob die schlaffen Arme durch die Ärmel. Er übergab sich wieder.
    Das kam vom Aufprall seines Kopfs auf das Wasser. Katsa wusste, dass man sich übergeben musste, wenn man einen harten Schlag auf den Kopf bekommen hatte, und dass mandann vergesslich und verwirrt war. Nach einiger Zeit würde sein Kopf wieder klar sein. Doch sie hatten keine Zeit, nicht wenn der König lebte. Also kniete sie sich vor Bo, fasste ihn am Kinn, ignorierte seinen zuckenden, unscharfen Blick und schickte ihm ihre Gedanken: Bo! Ich muss wissen, ob der König lebt. Ich werde nicht aufhören dich zu quälen, bis du mir sagst, ob der König lebt.
    Da schaute er sie an, rieb sich die Augen und blinzelte angestrengt. »Der König«, sagte er undeutlich. »Mein Pfeil. Der König lebt.«
    Katsa wurde das Herz schwer. Denn jetzt mussten sie fliehen, alle drei, mit Bo in diesem Zustand und mit nur einem Pferd, in der Dunkelheit und Kälte, mit wenig Nahrung und ohne Bos Gabe, die sie vor Verfolgern warnte.
    Ihre Gabe musste genügen.
    Sie reichte Bo ihre Flasche. »Trink«, sagte sie, »trink alles. Bitterblue, hilf mir, die nassen Sachen zusammenzusuchen. Gut, dass du geschlafen hast, heute Nacht musst du stark sein.«
    Bo schien zu verstehen, dass es Zeit für ihn war, aufs Pferd zu steigen. Er trug nichts zu den Anstrengungen bei, doch er wehrte sich auch nicht. Katsa und Bitterblue schoben ihn mit aller Kraft in den Sattel, und obwohl er fast mit dem Kopf voraus über das Tier gerutscht und auf der anderen Seite zu Boden gefallen wäre, packte er in einem lichten Moment Katsas Arm und richtete sich daran auf. »Du bleibst hinter ihm«, sagte Katsa zu Bitterblue, »damit du ihn im Auge behalten und zwicken kannst, wenn er hinunterzufallen droht. Wenn du Hilfe brauchst, ruf mich. Das Pferd wird schnell laufen, so schnell wie ich.«

Bei Dunkelheit kann sich an einem Berghang niemand schnell bewegen, der nicht durch eine besondere Gabe dazu befähigt ist. Sie kamen voran und Katsa brach sich nicht die Knöchel, während sie blind vor dem Pferd herlief, wie andere es getan hätten, doch sie waren nicht schnell. Katsa atmete kaum, so angestrengt horchte sie hinter sich. Ihre zahlreichen Verfolger waren beritten und hatten Fackeln. Wenn Leck eine Gruppe in die richtige Richtung geschickt hatte, könnte sie kaum etwas davon abhalten, sie zu finden.
    Katsa bezweifelte, dass sie in der Ebene schneller vorangekommen wären, denn Bo war so schwach. Er klammerte sich mit geschlossenen Augen an die Mähne des Pferdes und konzentrierte sich ganz darauf, nicht hinunterzufallen. Bei jeder Bewegung zuckte er zusammen. Und er blutete immer noch.
    »Ich binde dich aufs Pferd«, sagte Katsa einmal zu ihm, als sie anhielten, um an einem Bach die Flaschen zu füllen.

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