Die Beschenkte
bei sich tragen, als wäre es eine natürliche Verlängerung ihres Arms. Diese erste Lektion machte dem Kind mehr Schwierigkeiten, als Katsa erwartet hatte. Das Messer war schwer und scharf. Es machte Bitterblue nervös, auf einem Boden, der sich hob und senkte, eine offene Klinge zu tragen. Sie hielt den Griff viel zu fest, so fest, dass ihr der Arm wehtat und sich Blasen auf ihrer Handfläche bildeten.
»Du hast Angst vor deinem eigenen Messer«, sagte Katsa.
»Ich habe Angst, dass ich darauffalle«, erwiderte Bitterblue, »oder aus Versehen jemanden damit verletze.«
»Das ist ganz natürlich. Aber wenn du es zu fest hältst, verlierst du ebenso leicht die Kontrolle darüber, wie wenn du es zu locker hältst. Lockere den Griff, Kind. Es fällt dir nicht aus den Fingern, wenn du es so hältst, wie ich es dir beigebracht habe.«
Also entspannte Bitterblue ihre Hand, bis der Boden sich wieder neigte oder ein Seemann in die Nähe kam; dann vergaß sie, was Katsa gesagt hatte, und packte die Klinge erneut mit aller Kraft.
Katsa änderte ihre Methode. Sie hörte mit den Übungen ganz auf und ließ Bitterblue stattdessen mehrere Tage lang den ganzen Nachmittag mit dem Messer in der Hand auf dem Schiff umhergehen. So bewaffnet, besuchte das Mädchen die Seeleute, mit denen sie befreundet war, kletterte die Leiter zwischen den Decks hinauf, aß in der Kombüse und verrenkte sich den Hals, um Katsa in der Takelage umherklettern zu sehen.
Zuerst seufzte sie immer wieder und schob das Messer unbeholfen von einer Hand in die andere. Doch dann, nach ein oder zwei Tagen, schien es ihr nicht mehr so viel auszumachen. Noch ein paar Tage, und das Messer schwang locker an ihrer Seite. Sie hatte es nicht vergessen; Katsa konnte sehen, wie sorgfältig Bitterblue auf die Klinge Acht gab, wenn der Boden schwankte oder ein Freund in der Nähe war. Doch es lag gut in ihrer Hand. Es war ihr vertraut. Und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dem Mädchen beizubringen, wie sie die Waffe in ihrer Hand benutzen sollte.
Bei den nächsten Lektionen ging es langsam voran. Bitterblue war ausdauernd und wild entschlossen, doch ihre Muskeln waren untrainiert und die Bewegungen nicht gewohnt, die Katsa von ihr erwartete. Katsa fand es manchmal schwierig zu entscheiden, was sie ihr beibringen sollte. Natürlich würde es ihr nützen, Schläge im traditionellen Sinn abwehren oder austeilen zu können – aber sehr hilfreich war das nicht. Bitterblue würde in einem Kampf nie lange durchhalten, wenn sie versuchte, sich an die üblichen Regeln zu halten. »Deine Chance besteht darin«, sagte ihr Katsa, »dem anderen so viele Schmerzen wie möglich zuzufügen und auf eine Blöße zu warten.«
»Und deine eigenen Schmerzen zu ignorieren«, sagte Jem, »zumindest so gut du kannst.« Jem half beim Unterricht, genau wie Bär und andere, die gerade Zeit dafür hatten. Manchmal dienten die Lektionen den Männern während der Mahlzeiten in der Kombüse zur Unterhaltung, an schönen Tagen waren sie eine willkommene Ablenkung in einer Ecke des Decks. Nicht alle Seeleute verstanden, warum ein junges Mädchen lernen sollte zu kämpfen. Aber keiner von ihnen lachte über ihre Bemühungen, selbst wenn die Methoden, zu denen Katsa sie ermunterte, so würdelos waren wie Beißen, Kratzen und An-den-Haaren-Reißen.
»Du musst nicht stark sein, wenn du einem Mann deine Daumen in die Augäpfel drückst«, sagte Katsa, »aber du richtest damit viel Schaden an.«
»Das ist widerlich«, sagte Bitterblue.
»Jemand von deiner Größe hat nicht den Luxus, sauber kämpfen zu können, Bitterblue.«
»Ich sage nicht, dass ich es nicht tun würde. Ich sage nur, dass es widerlich ist.«
Katsa versuchte ihr Lächeln zu unterdrücken. »In Ordnung. Es ist wirklich widerlich.«
Sie zeigte Bitterblue alle empfindlichen Stellen, an denen sie einen Mann, den sie töten wollte, leicht verletzen konnte – Kehle, Hals, Magen, Augen, die Stellen, die wenig Kraft erforderten. Sie lehrte Bitterblue, wie sie ein kleines Messer im Stiefel verstecken und schnell herausziehen konnte, wie sie es mit beiden Händen in den Gegner stieß und wie sie eins in jeder Hand hielt; wie sie es vermied, ihr Messer im Tumult eines Angriffs fallen zu lassen, wenn alles so schnell ging, dass ihr Verstand nicht mehr mitkam.
»So macht man das!«, rief Red eines Tages, als Bitterblue erfolgreich den Ellbogen in Bärs Leiste gebohrt hatte, so dass er sich stöhnend krümmte.
»Und was machst du jetzt,
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