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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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unter der Bedingung, dass ich für die Handelsgeschäfte, die mir entgehen, entschädigt werde.«
    »Das ist selbstverständlich.«
    »Unter Geschäftspartnern ist nichts selbstverständlich, Prinzessin.«
    Und so trafen sie eine Vereinbarung. Die Kapitänin würde nahe Lienid auf See bleiben, an einer Stelle westlich einer unbewohnten Insel, die ein anderes Schiff finden konnte, so lange, bis sie jemand zurückholte oder Ereignisse auf ihrem Schiff es ihr unmöglich machten, die Isolation fortzusetzen.
    »Ich habe keine Ahnung, was ich meiner Mannschaft sagen soll«, hatte die Kapitänin gesagt.
    »Wenn die Zeit gekommen ist, es ihnen zu erklären«, hatte Katsa erwidert, »sagen Sie ihnen die Wahrheit.«
    Eines Tages, bei einer Mahlzeit in der Kombüse, fragte die Kapitänin sie, wie sie ungesehen nach Suncliff gekommen waren.
    »Wir haben die Berge zwischen Monsea und Sunder überquert«, sagte Katsa, »und sind durch die Wälder weitergewandert. Als wir die Außenbezirke von Suncliff erreicht hatten, sind wir nur nachts weitergegangen.«
    »Wie haben Sie den Bergpass überquert, Prinzessin? War er nicht bewacht?«
    »Wir haben den Bergpass nicht überquert. Wir sind über Grellas Pass gekommen.«
    Die Kapitänin sah Katsa über die Tasse hinweg an, die sie an den Mund gehoben hatte. Dann setzte sie die Tasse ab. »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Es ist wahr.«
    »Sie haben Grellas Pass überquert und Ihre Finger und Zehen behalten, von Ihrem Leben ganz zu schweigen? Ihnen würde ich das noch zutrauen, Prinzessin, aber nicht dem Kind.«
    »Katsa hat mich getragen«, sagte Bitterblue.
    »Und wir hatten gutes Wetter«, fügte Katsa hinzu.
    Die Kapitänin lachte schallend. »Es hat keinen Sinn, mir Lügen über das Wetter zu erzählen, Prinzessin. An Grellas Pass schneit es seit dem Sommer täglich und es gibt nur wenige Stellen in den sieben Königreichen, an denen es kälter ist.«
    »Trotzdem hätte es schlimmer sein können an dem Tag, an dem wir den Pass überquert haben.«
    Die Kapitänin lachte immer noch. »Sollte ich je jemanden brauchen, der mich beschützt, Prinzessin, dann kann ich nur hoffen, dass Sie nicht weit sind.«
    Ein oder zwei Tage später, nachdem Katsa eines ihrer eiskalten Meerbäder genommen hatte – die Bäder, die Bitterblue als weiteren Beweis dafür nahm, dass sie verrückt war –, saß sie auf Bitterblues Bett und schälte sich aus ihrer nassen Kleidung. Ihre Kajüte war kaum groß genug für die beiden Kojen, in denen sie schliefen, und von einer Laterne an der Decke nur schlecht beleuchtet. Bitterblue brachte Katsa ein Tuch, damit sie sich die nasse Haut und das mit Eis durchsetzte Haar abtrocknen konnte. Sie streckte die Hand aus und berührte Katsas Schulter. Katsa schaute an sich hinunter und sah im schaukelnden Licht weiße Linien auf ihrer Haut, denen auch Bitterblues Aufmerksamkeit galt. Es waren Narben, überall dort, wo die Krallen des Berglöwen ihr das Fleisch aufgerissen hatten. Auf der Brust hatte sie auch diese Linien.
    »Es ist gut verheilt«, sagte Bitterblue. »Keine Frage, wer damals den Kampf gewonnen hat.«
    »Und dabei war es ein ungleicher Kampf, der Berglöwe war mir überlegen. An einem anderen Tag hätte er mich getötet.«
    »Ich wollte, ich hätte deine Geschicklichkeit«, sagte Bitterblue. »Ich würde mich gern gegen alles verteidigen können.«
    Es war nicht das erste Mal, dass Bitterblue so etwas sagte. Und wie schon viele Male zuvor erinnerte sich Katsa mit einem Gefühl der Panik daran, dass Bitterblue Unrecht hatte, dass Katsa bei ihrem einzigen Zusammentreffen mit Leck wehrlos gewesen war.
    Dennoch, so wehrlos, wie sie war, musste Bitterblue nicht bleiben. Als Patch sie eines Tages wegen des Messers aufzog, das sie in der Scheide in ihrem Gürtel bei sich trug – dasselbe Messer, länger als ihr Unterarm, das sie schon hatte, als Katsaund Bo sie in Lecks Wald auflasen –, fand Katsa, die Zeit sei gekommen, Bitterblue für ihre Gegner zu einer Gefahr zu machen, wenigstens soweit das möglich war. Es war doch absurd, dass in allen sieben Königreichen die schwächsten und verletzlichsten Menschen – Mädchen und Frauen – keinen Unterricht in Kampftechniken hatten, während die starken zu Meistern dieses Fachs ausgebildet wurden!
    Und so begann Katsa das Mädchen zu unterrichten. Zuerst sollte sich Bitterblue mit einem Messer in der Hand wohlfühlen, es richtig halten, damit es ihr nicht aus den Fingern rutschte, es wie selbstverständlich

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