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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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ich glaube zu verstehen, warum Sie in diesem Moment die Kraft fanden zu handeln.«
    Katsa schaute der Frau ins Gesicht, in ihre gefassten, klugen Augen, und sie beantwortete die Frage, die sie in diesen Augen las. »Bo hat mir die Wahrheit über seine Gabe gesagt.«
    »Er muss Sie sehr lieben«, sagte die Königin so einfach, dass Katsa zusammenzuckte. Katsa senkte den Kopf.
    »Ich war sehr wütend, als er es mir erzählte«, sagte sie dann. »Aber ich habe – mich von meinem Zorn erholt.«
    Es war eine völlig unzulängliche Beschreibung ihrer Gefühle, das wusste Katsa. Doch die Königin beobachtete sie, und Katsa glaubte, dass sie einiges verstand, was Katsa nicht aussprach.
    »Werden Sie ihn heiraten?«, fragte die Königin so direkt, dass Katsa wieder zusammenfuhr. Doch das konnte sie ebenso direkt beantworten. Sie schaute der Königin in die Augen.
    »Ich werde nie heiraten«, sagte sie.
    Die Königin runzelte ratlos die Stirn, sagte aber nichts. Sie zögerte und erklärte dann: »Sie haben meinem Sohn in Monsea das Leben gerettet, und Sie haben es heute noch einmal getan. Ich werde Ihnen das nie vergessen.«
    Sie stand auf, beugte sich zu Katsa herab und küsste sie auf die Stirn, und Katsa zuckte zum dritten Mal seit der Ankunft dieser Frau zusammen. Dann drehte die Königin sich um und verließ den Raum. Ihre Röcke rauschten durch die Tür, die sich hinter ihr schloss, und als Katsa auf den leeren Fleck starrte, an dem Bos Mutter gestanden hatte, stieg wieder Lecks Bild in ihren Gedanken auf.

Katsa blieb in der hintersten Ecke des Decks, als Bär, Red und mehrere andere Männer mit Seilen Lecks Sarg an Bord holten. Sie wollte nichts damit zu tun haben, wünschte sich sogar, die Seile würden reißen, Lecks Leiche würde ins Meer fallen und von Meeresgeschöpfen zerrissen werden. Katsa kletterte den Mast hinauf und saß allein in der Takelage.
    Die Fahrt nach Monsea war zu einer großen königlichen Expedition geworden. Denn nicht nur Königin Bitterblue war an Bord, auch Prinz Skye und König Ror begleiteten sie. Ror hatte darauf hingewiesen, dass seine Nichte noch ein Kind war. Und auch wenn sie älter wäre, bliebe es dabei, dass sie in einer sehr schwierigen Situation steckte: Sie kehrte in ein Königreich zurück, das unter einem Bann lag und dessen Bewohner glaubten, ihr König sei rechtschaffen und seine Tochter krank, vielleicht sogar verrückt. Sie konnten die kleine Königin nicht allein nach Monsea schicken, wo sie erklären würde, sie regiere jetzt, und den toten König denunzieren würde, den sein ganzes Königreich verehrte. Bitterblue würde Autorität und Ratschläge brauchen. Mit beidem konnte Ror aushelfen.
    Seinen Sohn Skye würde Ror nach Bo ausschicken. Den Sohn Silvern hatte er mit einem anderen Schiff in die Middluns gesandt, damit er Großvater Tealiff abholte und nach Hause brachte. Die übrigen Söhne waren auf Rors Anweisung zu ihren Familien und ihren Pflichten heimgekehrt, obwohl jeder von ihnen seinen angemessenen Platz in Ror City bei den Regierungsgeschäften sah. Ror hatte diese Geschäfte seiner Königin überlassen wie immer, wenn er sich von seinem Thron entfernen musste. Die Königin war dieser Aufgabe bestens gewachsen.
    Katsa beobachtete Ror tagtäglich von ihrem Platz in der Takelage aus. Sie wurde vertraut mit dem Klang seines Lachens und seinem freundlichen Umgangston, der den Seeleuten ihre Befangenheit nahm. Ror war in keiner Weise bescheiden oder zurückhaltend. Er sah gut aus wie Bo, war selbstbewusst wie Bo und viel autoritärer in seinem Auftreten, als Bo je sein könnte. Aber – das begriff Katsa allmählich – er war nicht von seiner Macht berauscht. Wahrscheinlich würde ihm im Traum nicht einfallen, einem Matrosen beim Einholen eines Seils zu helfen, aber er stand interessiert dabei und stellte dem Seemann Fragen über das Seil, seine Arbeit, sein Zuhause, seine Eltern und seinen Cousin, der einmal ein Jahr lang in den Seen von Nander gefischt hatte. Katsa fiel auf, dass ihr so etwas noch nie begegnet war: ein König, der seine Leute ansah, statt auf sie herabzuschauen, ein König, der sich für andere interessierte.
    Mit Skye freundete sich Katsa sofort an. Gelegentlich kletterte er mit ihr keuchend in die Takelage, und seine grauen Augen leuchteten jedes Mal lachend auf, wenn das Schiff in ein Wellental tauchte. Er setzte sich neben sie, in dieser Höhezwar nie ganz so entspannt wie Katsa, doch ruhig, zufrieden und gut gelaunt.
    »Als ich eure

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