Die Beschenkte
können, Stein um Stein,so wild machte es sie, Schritt für Schritt vorzugehen. Sie fing an, hinter dem König von Lienid hin und herzulaufen. Sie hockte sich auf den Boden und raufte sich das Haar. Das Gespräch plätscherte weiter. Es würde Stunden dauern, bis sich diese Männer aus Lecks Bann gelöst hatten, und Katsa konnte es nicht ertragen.
»Vielleicht könnten wir uns ein paar Pferde besorgen, Vater«, murmelte Skye, »und uns auf den Weg machen.«
Katsa sprang auf. »Ja«, sagte sie. »Ja, im Namen der Middluns, bitte!«
Ror schaute von Skye zu Katsa, dann zu Bitterblue. »Königin Bitterblue«, sagte er, »wenn Sie mir vertrauen und glauben, dass ich mit dieser Situation auch ohne Sie fertigwerde, sehe ich keinen Grund, Sie zurückzuhalten.«
»Natürlich vertraue ich Ihnen«, sagte das Kind, »und meine Leute werden sich in allem Ihrem Urteil fügen, während ich abwesend bin.«
Der Hauptmann und die Adligen starrten mit aufgerissenen Mündern ihre neue Königin an, die halb so groß war wie Ror, gekleidet wie ein Junge und überaus würdevoll. Sie runzelten die Stirn und kratzten sich am Kopf, und Katsa war kurz davor, zu schreien. Ror wandte sich an sie.
»Je eher Sie Bo erreichen, desto besser«, sagte er. »Ich werde Sie nicht zurückhalten.«
»Wir brauchen zwei Pferde«, erwiderte Katsa, »die schnellsten in der Stadt.«
»Und Sie brauchen Wachleute aus Monsea«, sagte Ror, »weil niemand, dem Sie begegnen, weiß, was geschehen ist. Jeder Soldat in Monsea, der Sie sieht, wird versuchen, Sie zu fangen.«
Katsa machte eine ungeduldige Handbewegung. »Gut, Wachleute. Aber wenn sie nicht so schnell sind wie ich, lasse ich sie zurück.« Sie drehte sich zu Skye um. »Ich hoffe, du reitest so gut wie dein Bruder.«
»Und sonst lassen Sie auch ihn zurück?«, fragte Ror. »Und die Königin von Monsea – wenn sie zu schwer für Ihr Pferd wird, lassen Sie Bitterblue dann ebenso zurück? Und vermutlich auch das Pferd selbst, wenn es vor Erschöpfung und schlechter Behandlung zusammenbricht?« Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, und seine Stimme klang scharf. »Seien Sie vernünftig, Katsa! Sie werden Wachleute mitnehmen, die vor und hinter Ihnen reiten. Auf der ganzen Reise, ist das klar? Sie reisen mit der Königin von Monsea und mit meinem Sohn.«
Katsa schrie fast. »Glauben Sie, dass ich eine Wache brauche, um sie gegen die Soldaten von Monsea zu verteidigen?«
»Nein! Ich bezweifle nicht, dass Sie vollauf imstande sind, die Königin von Monsea, meinen Sohn, all meine übrigen Söhne und hundert Kätzchen aus Nander vor einem Angriff ruchloser Räuber zu schützen, wenn Sie wollen. Aber«, und er reckte sich noch höher, »Sie werden jetzt vernünftig. Es nützt uns zu diesem Zeitpunkt gar nichts, wenn Sie mit der Königin des Reiches auf Ihrem Pferd durch Monsea preschen und auf dem Weg alle Soldaten Ihrer Majestät umbringen. Was wollen Sie damit erreichen? Sie werden mit einer Wache reisen, und diese Wache wird alles erklären und dafür sorgen, dass Sie nicht angegriffen werden. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Er wartete nicht auf Antwort, sondern wandte sich abrupt an den Hauptmann, der immer wieder zusammengezucktwar, als bekäme er Kopfweh von diesem Wortwechsel. »Hauptmann, die vier schnellsten Reiter in Ihrer Wache und Ihre sechs schnellsten Pferde, aber sofort!« Dann fuhr er zu Katsa herum und funkelte sie an. »Sind Sie wieder zur Vernunft gekommen?«, brüllte er.
Sie hatte ihre Fassung verloren, nicht ihre Vernunft – oder wenn doch, dann kehrte sie zurück bei dem Versprechen von vier schnellen Reitern, sechs schnellen Pferden und einem stürmischen Ritt zu Bo.
Sie ritten schnell und begegneten nur wenigen Leuten. Die Port Road war breit, ihre Oberfläche eine Mischung aus Erde und Schnee, die unter den Hufen unzähliger Pferde festgestampft worden war. Schneedämme ragten an beiden Straßenseiten auf, dahinter lagen verschneite Felder; weit entfernt im Westen war die dunkle Linie des Waldes zu sehen, dahinter die Berge. Die Luft war eisig, doch das Kind vor Katsa auf dem Pferd hatte es warm und es ging ihm gut, auch wenn es heftig durchgeschüttelt wurde.
Die Königin vor ihr auf dem Pferd, verbesserte sich Katsa. Und Königin Bitterblue hatte sich sehr verändert, sie war längst nicht mehr das Nervenbündel, das Katsa und Bo vor Monaten aus einem hohlen Stamm gelockt hatten.
Eines Tages würde sie eine gute Regentin sein. Und Raffin ein guter König,
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