Die Beschenkte
aufgerichtet vor ihr mit funkelnden Augen und zuckendem Mund, und der Pfad, den er durch den Schnee gepflügt hatte, erstreckte sich hinter ihm. Und Katsa schrie auf, rannte und stürzte sich so heftig auf Bo, dass er in den Schnee fiel und sie auf ihm landete. Und er lachte und hielt sie fest, und sie weinte, und dann kam Bitterblue und warf sich mit schrillen Schreien auf die beiden. Skye lief herbei und half allen auf. Bo umarmteseine Cousine noch einmal richtig. Er begrüßte seinen Bruder, sie zerwühlten einander die Haare, lachten und umarmten sich erneut. Und dann warf Katsa sich wieder in seine Arme, weinte heiße Tränen auf seinen Hals und hielt ihn so fest, dass er stöhnte, er könne nicht mehr atmen.
Bo schüttelte den lächelnden, erschöpften Wachleuten die Hand. Dann führte er die ganze Gesellschaft, mit lahmendem Pferd und allem, hinauf zu seiner Hütte.
Die Hütte war sauber und in besserem Zustand als in Katsas Erinnerung. Neben der Tür war Holz gestapelt, im Kamin brannte ein Feuer, der Schrank stand zwar immer noch schief auf drei Beinen, doch der Staub war verschwunden und an der Wand hing ein schöner Bogen. Katsa nahm all das mit einem Blick auf. Und das reichte ihr, denn sie wollte nichts und niemanden mehr anschauen als Bo.
Sein Gang war geschmeidig und selbstsicher wie immer. Er wirkte kräftig – zu mager, aber als sie ihn darauf hinwies, sagte er: »Fisch macht nicht besonders dick, Katsa, und ich habe kaum etwas anderes als Fisch gegessen, seit du weggegangen bist. Ich kann dir nicht sagen, wie sehr er mir zum Hals raushängt.« Da holten sie Brot, Äpfel, getrocknete Aprikosen und Käse für ihn hervor. Er aß und lachte und erklärte, er sei begeistert.
»Die Aprikosen kommen aus Lienid«, sagte Katsa, »über Suncliff, dann wieder Lienid, dann einen Ort mitten im Meer vor Lienid und schließlich Monport.«
Er grinste sie an, seine Augen spiegelten den Feuerschein, und Katsa war sehr glücklich. »Ihr habt mir eine Geschichtezu erzählen«, sagte er, »und ich kann sehen, dass sie gut ausgeht. Aber fangt ihr bitte am Anfang an?«
Und so erzählten sie alles von Anfang an. Katsa berichtete die wichtigsten Ereignisse und Bitterblue die Einzelheiten. »Katsa kann eine Mütze aus Tierfellen machen«, sagte Bitterblue. »Katsa hat mit einem Berglöwen gekämpft.« Katsa hat Schneeschuhe gemacht, einen Kürbis gestohlen … Bitterblue zählte Katsas Vorzüge auf, als prahle sie mit einer älteren Schwester, und es machte Katsa nichts aus. Die amüsanten Teile der Geschichte machten es leichter, die harten zu ertragen.
Sie berichteten gerade, was in Bos Schloss geschehen war, da merkte Katsa, was sie schon die ganze Zeit halb bewusst quälte. Bo war abwesend. Er betrachtete den Tisch statt die Sprechenden, sein Gesicht hatte einen gedankenverlorenen Ausdruck, er hörte nicht zu. Sowie sie seine Unaufmerksamkeit bemerkte, hob er den Blick zu ihr. Einen Moment schien er sie zu sehen und ihr genau in die Augen zu schauen, doch dann starrte er wieder auf seine Hände. Sie hätte schwören können, dass um seinen Mund eine Art Trauer zu lesen war.
Katsa unterbrach ihre Geschichte, plötzlich war sie auf seltsame Weise verängstigt. Sie studierte sein Gesicht, wusste aber nicht genau, was sie darin suchte. »Kurz und gut, Leck hatte uns in seinem Bann«, sagte sie, »bis ich ihn in einem Moment der Klarheit tötete.« Ich werde dir später erzählen, was wirklich geschah, sagte sie ihm mit ihren Gedanken.
Er zuckte sichtlich zusammen und sie erschrak, doch im nächsten Moment lächelte er, als wäre nichts geschehen, und sie fragte sich, ob sie es sich eingebildet hatte. »Und dann seid ihr zurückgekommen«, sagte er heiter.
»So schnell wir konnten.« Katsa biss sich verwirrt auf die Lippe. »Und jetzt werde ich dir deinen Ring zurückgeben. Dein Schloss ist ein wunderschöner Ort, genau wie du gesagt hast.«
Der Schmerz, der sich auf seinem Gesicht abzeichnete, die Trauer, sie kamen so jäh, dass Katsa die Luft anhielt. Und dann verschwand beides wieder, aber diesmal hatte sie es gesehen und konnte ihre Beunruhigung nicht länger verbergen. Sie stand auf und streckte die Hand nach ihm aus, unsicher, was sie tun oder sagen sollte.
Bo stand ebenfalls auf – suchte er einen Moment sein Gleichgewicht? Sie war nicht sicher, glaubte aber, es gesehen zu haben. Er nahm ihre Hand und lächelte. »Geh mit mir jagen, Katsa. Du kannst den Bogen ausprobieren, den ich gemacht habe.«
Sein
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