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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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weiter, Katsa. Behalte den Ring. Ich habe es dir gesagt, ich will ihn nicht.«
    Sie konnte nicht sprechen. Sie schüttelte mechanisch den Kopf und ließ den Ring in seine Hände fallen.
    Er starrte ihn an und seufzte. »Ich werde ihn Skye geben, damit er ihn meinem Vater bringt. Er soll entscheiden, was damit geschieht.«
    Er stand auf, und diesmal war sie überzeugt, dass er sein Gleichgewicht suchte. Mit dem Bogen in der Hand entfernte er sich von ihr, hielt sich an der Wurzel eines Buschs fest und zog sich auf einen Felsvorsprung. Sie schaute ihm nach, während er in die Berge stieg, fort von ihr.
    Die ganze Nacht, mit den Atemgeräuschen der anderen um sie herum, versuchte Katsa, all das zu verstehen. Sie lehnte sich an die Wand und beobachtete Bo, der in eine Decke gewickelt neben seinem Bruder und den Wachleuten aus Monsea auf dem Boden lag. Er schlief, und sein Gesicht war friedlich. Sein schönes Gesicht.
    Als er nach ihrem Gespräch mit dem Bogen in einer Hand und mehreren Kaninchen in der anderen in die Hütte zurückgekommen war, hatte er seine Last befriedigt an seinen Bruder weitergegeben und seine Jacke ausgezogen. Dann war er zu ihr gekommen; sie hatte grübelnd an der Wand gesessen. Er hatte sich vor sie gehockt, ihre Hände in seine genommen, sie geküsst und sein kaltes Gesicht an ihnen gerieben. »Es tut mir leid«, hatte er gesagt, und sie spürte plötzlich, dass alles war wie immer und Bo ganz er selbst und dass sie ganz von vorn beginnen würden. Dann, beim Abendessen, während die anderen lachten und Bitterblue mit den Wachleuten scherzte, beobachtete Katsa, wie Bo sich in sich selbst zurückzog. Er aß wenig und versank in Schweigen, sein Gesicht sah traurig aus. Und bei seinem Anblick hatte ihr das Herz so wehgetan, dass sie aufgestanden, aus der Hütte gegangen und stundenlang im Dunkeln umhergelaufen war.
    Er schien immer wieder kurz glücklich zu sein. Aber irgendetwas war eindeutig nicht in Ordnung. Wenn er nur … Wenn er sie nur anschauen würde. Wenn er ihr nur ins Gesicht sehen würde.
    Und wenn er allein sein wollte, dann würde sie ihn selbstverständlich lassen. Aber – sie wusste, dass es vielleicht ungerecht war, entschied sich aber trotzdem dafür – sie würde Beweise verlangen. Er musste sie zweifelsfrei überzeugen, dass es Einsamkeit war, was er brauchte. Nur dann würde sie ihn seinen seltsamen Seelenqualen überlassen.
    Am Morgen wirkte Bo recht vergnügt. Doch Katsa, die sich allmählich wie eine tyrannische Mutter vorkam, stellte fest, dass sein fehlendes Interesse am Essen, selbst an den Leckerbissen aus Lienid, bei Tisch ansteckend wirkte. Er aß so gut wie nichts, machte dann eine wenig überzeugende Bemerkung über das lahmende Pferd, nach dem er sehen wolle, und ging hinaus.
    »Was ist los mit ihm?«, fragte Bitterblue.
    Katsa schaute das Mädchen an und hielt ihrem ruhigen grauäugigen Blick stand. Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als wüsste sie nicht, was Bitterblue meinte. Bitterblue war noch nie dumm gewesen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Katsa. »Er will es mir nicht sagen.«
    »Manchmal scheint er ganz der Alte«, sagte Skye, »und manchmal versinkt er in eine seltsame Stimmung.« Er räusperte sich. »Aber ich dachte, vielleicht ist es ein Streit unter Liebenden.«
    Katsa schaute ihm fest in die Augen. Sie aß ein Stück Brot. »Möglich, aber ich glaube es nicht.«
    Skye zog eine Augenbraue hoch und grinste. »Ich glaube, du wüsstest es, wenn es so wäre.«
    »Wenn die Dinge nur so einfach lägen«, sagte Katsa trocken.
    »Etwas an seinen Augen ist seltsam«, meinte Bitterblue.
    »Ja«, entgegnete Katsa, »wahrscheinlich hat er die seltsamsten Augen in allen sieben Königreichen. Aber ich nehme an, das hast du schon zuvor bemerkt.«
    »Nein, ich meine, irgendetwas ist anders an seinen Augen.«
    Etwas ist anders an seinen Augen.
    Ja, etwas war anders. Der Unterschied war, dass er sie nicht anschaute, dass er niemanden anschaute. Fast als würde es ihn schmerzen, die Augen zu heben und sich auf eine andere Person zu konzentrieren. Fast als ob …
    Da blitzte aus dem Nirgendwo ein Bild in ihrer Erinnerung auf. Bo, wie er durch das Licht fiel, der riesige Körper eines Pferdes über ihm. Bo, wie er mit dem Gesicht voraus ins Wasser schlug, das Pferd hinterher.
    Und weitere Bilder: Bo, krank und grau vor dem Feuer, das Gesicht voll schwarzer Prellungen. Bo, der zu ihr schaute und sich die Augen rieb.
    Katsa würgte an ihrem Brot. Sie sprang auf und

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