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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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jeden Schlag. Sie hatte noch nie einen Kämpfer gekannt, der sich so rasch verteidigte. Sie erinnerte sich an Züge, die sie als Kind zuletzt versucht hatte, Schläge, die ihr nur in ihrer Vorstellung möglich gewesen waren. Sie spielten. Es war ein Spiel. Als er ihr die Arme auf den Rücken drehte, sie an den Haaren packte und ihr Gesicht in den Schmutz presste, stellte sie fest, dass auch sie lachte.
    »Ergeben Sie sich«, sagte er.
    »Niemals.« Sie trat ihn und riss die Arme aus seinem Griff. Sie fuhr ihm mit dem Ellbogen ins Gesicht, und als er sprang, um dem Schlag zu entgehen, stürzte sie sich auf ihn und drückte ihn auf den Boden. Sie zwang ihm die Arme auf den Rücken, wie er es gerade mit ihr getan hatte, und presste sein Gesicht in den Schmutz.
    »Sie ergeben sich«, sagte sie, »Sie sind besiegt.«
    »Ich bin nicht besiegt, und Sie wissen das. Sie müssen mir Arme und Beine brechen, um mich zu besiegen.«
    »Dann werde ich das tun«, sagte sie, »wenn Sie sich nicht ergeben«, aber in ihrer Stimme war ein Lächeln, und er begann zu lachen.
    »Katsa«, sagte er. »Lady Katsa. Ich ergebe mich unter einer Bedingung.«
    »Und zwar?«
    »Bitte«, sagte er. »Bitte, erzählen Sie mir, was mit meinem Großvater geschehen ist.«
    Da war etwas in sein Lachen gemischt, das Katsa die Kehle zuschnürte. Sie hatte keinen Großvater. Aber vielleicht bedeutete dieser Großvater dem Prinzen dasselbe, was Oll ihr bedeutete oder Helda oder Raffin.
    »Katsa«, sagte er in den Schmutz hinein, »ich bitte Sie, vertrauen Sie mir, wie ich Ihnen vertraut habe.«
    Sie hielt ihn noch einen Augenblick unten, dann ließ sie seine Arme los. Sie glitt von seinem Rücken, setzte sich neben ihn auf die Erde, stützte das Kinn in die Hand und betrachtete ihn.
    »Warum vertrauen Sie mir«, fragte sie, »obwohl ich Sie in Randas Schlosshof auf dem Boden liegen gelassen habe?«
    Er rollte herum, setzte sich stöhnend auf und massierte seine Schulter. »Weil ich wieder aufgewacht bin. Sie hätten mich töten können, aber Sie haben es nicht getan.« Er berührte seinen Wangenknochen und zuckte zusammen. »Sie bluten am Kinn.« Er streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus, doch sie winkte sie zur Seite und stand auf.
    »Das macht nichts«, sagte sie. »Kommen Sie mit, Prinz Greening.«
    Er stemmte sich auf die Füße. »Ich heiße Bo.«
    »Bo?«
    »Das ist mein Name. Ich heiße Bo.«
    Katsa beobachtete ihn einen Moment, während er die Arme schwang und seine Schultergelenke erprobte. Dann fasste er sich in die Seite und stöhnte. Sein Auge schwoll an und wurde wahrscheinlich blau, obwohl sich das im Finstern kaum sagen ließ. Sein Ärmel war zerrissen und er war mit Schmutz bedeckt, von Kopf bis Fuß vollgeschmiert. Sie wusste, dass sie genauso aussah – schlimmer noch mit ihrem wilden Haar und den nackten Füßen –, aber darüber lächelte sie nur.
    »Kommen Sie mit, Bo«, sagte sie. »Ich bringe Sie zu Ihrem Großvater.«

Als sie in das Licht von Raffins Arbeitszimmer traten, hatte der Prinz den blauen Kopf über einen brodelnden Glaskolben gebeugt. Von einer Topfpflanze neben seinem Ellbogen gab er Blätter in den Kolben, beobachtete, wie sie sich auflösten, und murmelte etwas über das Ergebnis.
    Katsa räusperte sich. Raffin schaute zu ihnen auf und blinzelte.
    »Ich nehme an, ihr habt euch miteinander bekannt gemacht«, sagte er. »Es muss ein freundschaftlicher Kampf gewesen sein, wenn ihr zusammen kommt.«
    »Bist du allein?«, fragte Katsa.
    »Ja, bis auf Bann natürlich.«
    »Ich habe dem Prinzen von seinem Großvater erzählt.«
    Raffin schaute von Katsa zu Bo und wieder zu Katsa. Er zog die Augenbrauen hoch.
    »Er ist vertrauenswürdig«, sagte Katsa. »Es tut mir leid, dass ich es nicht mit dir besprochen habe, Raff.«
    »Kat, wenn du glaubst, dass er ungefährlich ist, obwohl er dir das Gesicht blutig geschlagen und«, Raffin musterte ihr zerrissenes Kleid, »dich in einer Dreckpfütze herumgerollt hat, dann glaube ich dir.«
    Katsa lächelte. »Können wir zu ihm?«
    »Das könnt ihr«, sagte Raffin, »und ich habe eine gute Neuigkeit. Er ist wach.«
    In Randas Schloss gab es seit seiner Erbauung vor mehreren Generationen viele Geheimgänge. Sie waren so zahlreich, dass noch nicht einmal Randa alle kannte – niemand tat das, aber Raffin war es als Kind aufgefallen, wenn zwei Räume auf eine Weise aneinandergrenzten, die nicht zu passen schien. Katsa und Raffin hatten als Kinder alle Ecken und Winkel erkundet. Katsa

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