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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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waren sie miteinander. Es war wie mit Bos Augen. Wenn sie nicht kämpften, war Bos Körper für sie wie seine Augen.
    Er atmete unregelmäßig und sie erstarrte. Sie horchte, bis sein Atem wieder in einem gleichmäßigen Rhythmus kam und ging.
    Es würde nicht einfach sein mit Bo. Nichts würde mit Bo einfach sein. Doch er war ihr Freund, und deshalb würde sie mit ihm reisen. Sie würde ihm helfen, die Entführer seines Großvaters zu finden. Und auf jeden Fall würde sie darauf achten, dass sie ihn nicht mehr in irgendwelche Teiche stieß.
    Und jetzt musste sie schlafen. Sie drehte ihm den Rücken zu und zwang ihre Gedanken, dunkel zu werden.

Der Gasthof war ein großes, hohes Gebäude aus solidem Holz. Je weiter man in Sunder nach Süden kam, umso schwerer und dicker wurde das Holz der Bäume und umso stabiler und eindrucksvoller waren die Häuser und Gasthöfe. Katsa hatte nicht viel Zeit im mittleren Sunder verbracht, ihr Onkel hatte sie vielleicht zwei oder drei Mal hingeschickt. Doch die tiefen Wälder und die einfachen, solide gebauten kleinen Städte, zu weit von den Grenzen entfernt, um in das unsinnige Treiben der Könige hineingezogen zu werden, hatten Katsa immer gefallen. Die Wände des Gasthofs wirkten wie Schlossmauern, nur dunkler und wärmer.
    Sie saßen an einem Tisch in einem Raum voller Männer an Tischen – schweren, dunklen Tischen aus dem gleichen Holz wie die Wände. Um diese Tageszeit kamen die Reisenden, die im Gasthof abgestiegen waren, und Männer aus der Stadt im großen Speisesaal zusammen, um über einem Becher mit einem starken Getränk zu reden und zu lachen. Die kurze Stille war vorbei, die sich über den Raum gelegt hatte, als Bo und Katsa eintraten. Die Männer redeten jetzt laut und jovial, und wenn sie auch verstohlen über ihre Becher undStühle zu den königlichen Beschenkten hinüberschauten, so starrten sie die beiden wenigstens nicht offen an.
    Bo lehnte sich zurück und schaute sich träge um. Er trank von seinem Becher Apfelmost und sein Finger fuhr den Ring nach, den der Becher auf dem Tisch hinterlassen hatte. Er stützte den Ellbogen auf und legte den Kopf in die Hand, gähnte und sah nach Katsas Meinung aus, als brauchte er nur noch ein Wiegenlied, um einzuschlafen. Es war gut gespielt.
    Dann blitzten seine Augen mit dem Funken eines Lächelns zu ihr hinüber. »Ich glaube nicht, dass wir lange in diesem Gasthof bleiben«, sagte er leise. »Einige Männer in diesem Raum interessieren sich bereits für uns.«
    Bo hatte dem Gastwirt gesagt, sie seien bereit, Geld für jede Information über die Entführung von Großvater Tealiff zu zahlen. Männer – besonders die Männer von Sunder, falls sie ihrem König glichen – würden für Geld vieles tun. Sie würden ihre Gefolgschaft auf einen anderen übertragen. Sie würden Wahrheiten ausplaudern, die sie gelobt hatten zu verschweigen. Sie würden auch Geschichten erfinden, doch das machte nichts, denn Bo konnte einer Lüge ebenso viel entnehmen wie der Wahrheit.
    Katsa nippte an ihrem Becher und schaute sich unter den vielen Männern um. Die Eleganz der Händler hob sich von den gedämpften Braun- und Orangetönen in der Kleidung der Stadtbürger ab. Katsa war die einzige Frau im Raum bis auf die Wirtstochter, die mit einem Tablett voller Becher und Krüge zwischen den Tischen hin und her lief. Sie war klein, aber nicht viel jünger als Katsa, dunkelhaarig und hübsch. Sie erwiderte die Blicke der Männer nicht und lächelte keinemzu außer vielleicht einem Bürger, der alt genug war, ihr Vater zu sein. Die meisten Gäste behandelten sie mit Respekt, doch Katsa gefiel das Lächeln der Händler nicht, an deren Tisch die Wirtstochter gerade bediente.
    »Wie alt ist deiner Meinung nach das Mädchen?«, fragte Katsa. »Glaubst du, dass sie verheiratet ist?«
    Bo betrachtete die Händler und nippte an seinem Becher. »Fünfzehn oder sechzehn, vermute ich. Sie ist nicht verheiratet.«
    »Woher weißt du das?«
    Er überlegte. »Keine Ahnung. Ich habe geraten.«
    »So hat es aber nicht geklungen.«
    Er trank, sein Gesicht war ausdruckslos. Er hatte nicht geraten, das wusste sie, und plötzlich begriff sie, wie er so etwas mit solcher Sicherheit sagen konnte. Sie spürte, wie ihr Ärger wuchs im Namen aller Mädchen, die Bo jemals bewundert hatten und geglaubt hatten, ihre Gefühle seien privat. »Du bist unmöglich«, sagte sie. »Kein bisschen besser als diese Händler. Und außerdem – nur weil sie gern zu dir herschaut,

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