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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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heißt das nicht …«
    »Und du bist nicht gerecht«, unterbrach Bo sie. »Ich kann nichts dafür, dass ich es weiß. Mein Fehler war, es dir mitzuteilen. Ich bin es nicht gewohnt, mit jemandem zu reisen, der meine Gabe kennt. Ich habe dir geantwortet, bevor ich darüber nachgedacht habe, wie unfair es dem Mädchen gegenüber ist.«
    Katsa verdrehte die Augen. »Erspar mir deine Bekenntnisse. Wenn sie unverheiratet ist, verstehe ich nicht, warum ihr Vater zulässt, dass sie diese Männer bedient. Ich weiß nicht, ob sie unter ihnen sicher ist.«
    »Ihr Vater steht die meiste Zeit hinter der Theke. Niemand würde es wagen, ihr etwas zu tun.«
    »Aber er ist nicht immer dort – im Moment zum Beispiel nicht. Und nur weil sie das Mädchen nicht angreifen, bedeutet das nicht, dass sie von ihnen respektiert wird.« Oder dass sie sich nicht später an sie heranmachten.
    Das Mädchen ging um den Tisch der Händler und goss Apfelmost in jeden Becher. Als ein Mann nach ihrem Arm griff, wich sie zurück. Da brachen die Händler in Gelächter aus. Der Mann streckte die Arme nach ihr aus und zog sie zurück, streckte sie aus und zog sie zurück, neckte sie. Seine Freunde lachten noch mehr. Und dann packte der Mann an der anderen Seite des Mädchens ihr Handgelenk und hielt es fest, und die Männer johlten. Sie versuchte die Hand wegzuziehen, doch er lachte und ließ nicht los. Rot vor Scham schaute sie keinem ins Gesicht, zog nur ihren Arm zurück. Sie glich zu sehr einem dummen, verwirrten Kaninchen in einer Falle, und plötzlich stand Katsa auf. Auch Bo war aufgestanden und hielt Katsa am Arm.
    Einen Moment lang fiel Katsa die seltsame Symmetrie auf, nur dass sie sich im Gegensatz zu dem Mädchen aus Bos Griff befreien konnte und Bo im Gegensatz zu dem Händler guten Grund hatte, ihren Arm festzuhalten. Und Katsa würde sich aus seinem Griff nicht befreien, weil es nicht nötig war. Dass sie aufgestanden war, genügte. Im Raum war es still. Der Mann ließ den Arm des Mädchens los. Mit weißem Gesicht und offenem Mund starrte er Katsa an – Angst, die Katsa so vertraut war wie das Gefühl ihres eigenen Körpers. Auch das Mädchen starrte herüber, hielt den Atem an und drückte die Hand an die Brust.
    »Setz dich, Katsa«, sagte Bo leise. »Es ist vorbei. Setz dich.«
    Sie setzte sich. Im Raum wurde aufgeseufzt und nach kurzer Zeit gemurmelt, dann wieder geredet und gelacht. Doch Katsa war nicht sicher, dass es vorbei war. Vielleicht zwischen diesem Mädchen und diesen Händlern. Doch morgen würde eine neue Händlergruppe kommen. Und diese Händler würden weiterziehen und sich ein anderes Mädchen suchen.
    Als Katsa sich später am Abend darauf vorbereitete, ins Bett zu gehen, kamen zwei Mädchen in ihr Zimmer, um ihr die Haare zu schneiden. »Ist es schon zu spät, My Lady?«, fragte die Ältere, die eine Schere und eine Bürste dabeihatte.
    »Nein. Je früher sie abgeschnitten sind, umso besser. Bitte kommt herein.«
    Sie waren jung, jünger als das Mädchen im Schankraum. Die Jüngere, ein Kind von zehn oder elf, trug einen Besen und eine Schaufel. Sie ließen Katsa Platz nehmen und bewegten sich schüchtern um sie herum. Sie sprachen wenig und waren außer Atem, nicht direkt ängstlich, aber fast. Das ältere Mädchen löste die Haare und zog die Finger durch das Gewirr. »Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen wehtue.«
    »Es wird mir nicht wehtun«, sagte Katsa, »und du brauchst die Knoten nicht zu entwirren. Ich möchte, dass du die Haare ganz abschneidest, so kurz wie möglich. So kurz wie bei einem Mann.«
    Beide Mädchen machten große Augen. »Ich habe schon vielen Männern die Haare geschnitten«, sagte die Ältere.
    »Du kannst meine so schneiden, wie du ihre geschnitten hast. Je kürzer du sie schneidest, umso glücklicher bin ich.«  
    Die Schere schnippte um Katsas Ohren und ihr Kopf wurdeimmer leichter. Wie seltsam, den Hals zu drehen und nicht das Gewicht der Haare zu spüren, das schwere Knäuel, das hinter ihrem Kopf schwang. Das jüngere Mädchen hielt den Besen und fegte die abgeschnittenen Haare weg, sowie sie auf den Boden gefallen waren.
    »Ist das eure Schwester, die im Speisesaal die Getränke gebracht hat?«
    »Ja, My Lady.«
    »Wie alt ist sie?«
    »Sechzehn, My Lady.«
    »Und ihr?«
    »Ich bin vierzehn und meine Schwester elf, My Lady.«
    Katsa sah zu, wie das jüngere Mädchen ihre Haare mit einem Besen zusammenkehrte, der größer war als sie.
    »Bringt jemand den Mädchen im Gasthof bei, wie

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