Die Beschenkte
man sich schützt?«, fragte sie. »Tragt ihr ein Messer bei euch?«
»Unser Vater beschützt uns und unser Bruder«, sagte das Mädchen einfach.
Die Mädchen schnitten und kehrten, und Katsas Haare fielen herab. Die unvertraute Kühle in ihrem Nacken erregte sie. Und sie fragte sich, ob andere Mädchen in Sunder und in den sieben Königreichen Messer bei sich hatten oder ob sie alle auf ihre Väter und Brüder vertrauten, wenn sie Schutz brauchten.
Ein Klopfen weckte sie. Es kam von der Tür, die ihr Zimmer mit dem von Bo verband. Sie hatte nicht lange geschlafen, wahrscheinlich war Mitternacht. Durch ihr Fenster fiel genug Mondlicht, wenn es also nicht Bo war, der klopfte, wenn es ein Feind war, konnte sie gut genug sehen, um ihn bewusstlos zu schlagen. All das ging ihr durch Kopf, während sie sich aufsetzte.
»Katsa, ich bin’s nur«, rief Bo durch das Schlüsselloch. »Es ist ein Doppelschloss. Du musst es von deiner Seite aufmachen.«
Sie rollte aus dem Bett. Und wo war der Schlüssel?
»Mein Schlüssel hing neben der Tür«, rief er, und sie schaute einen Augenblick wütend in seine Richtung.
»Ich habe nur geraten, dass du dich nach dem Schlüssel umschaust. Es war nicht meine Gabe, du brauchst also nicht so unfreundlich zu werden.«
Katsa tastete sich an der Wand entlang, bis ihre Finger einen Schlüssel berührten. »Macht es dich nicht nervös, so herumzubrüllen? Jeder könnte dich hören. Möglich, dass du deine kostbare Gabe gerade einer ganzen Legion meiner Liebhaber enthüllst.«
Sein Lachen kam gedämpft durch die Tür. »Ich wüsste es, wenn jemand meine Stimme hören könnte. Und ich wüsste es auch, wenn du mit einer Legion von Liebhabern da drinnen wärst. Katsa – hast du dein Haar abgeschnitten?«
Sie schnaubte. »Großartig! Das ist einfach großartig. Ich habe kein Privatleben und du spürst sogar mein Haar.« Sie drehte den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf. Bo richtete sich auf, er hatte eine Kerze in der Hand.
»Bei allen Meeren!«
»Was ist los?«
Er hielt die Kerze vor ihr Gesicht.
»Bo! Was willst du?«
»Sie hat es viel besser gemacht, als ich es gekonnt hätte.«
»Ich gehe wieder ins Bett«, sagte Katsa und griff nach der Tür.
»Schon gut, schon gut! Die Männer, die Händler. Die Männer aus Sunder, die das Mädchen belästigt haben. Ich glaube, sie wollen heute Nacht zu uns kommen und mit uns reden.«
»Woher weißt du das?«
»Ihre Zimmer sind unter unseren.«
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Niemand in diesem Gasthof hat ein Privatleben.«
»Mein Gespür für sie ist schwach, Katsa. Ich kann nicht jeden bis zu den Haarspitzen spüren, so wie ich dich spüre.«
Sie seufzte. »Welche Ehre also, ich zu sein. Sie kommen mitten in der Nacht?«
»Ja.«
»Haben sie Informationen?«
»Ich glaube schon.«
»Traust du ihnen?«
»Nicht besonders. Ich glaube, sie werden bald kommen, Katsa. Wenn sie da sind, werde ich an deine äußere Tür klopfen.«
Katsa nickte. »Gut. Ich werde bereit sein.«
Sie trat in ihr Zimmer zurück und zog die Tür hinter sich zu. Dann zündete sie eine Kerze an, warf sich etwas Wasser ins Gesicht und bereitete sich auf die nächtliche Ankunft der Händler vor.
Sechs Händler hatten um den Tisch im Speisesaal gesessen und über die Bedienung gelacht. Als Bo Katsa mit seinem Klopfen an die Tür holte, stand er mit allen sechsen im Gang und jeder trug eine Kerze, die ein schwaches Licht auf sein bärtiges Gesicht warf. Sie waren alle groß und breitschultrig,riesig neben ihr, selbst der kleinste war noch größer und breiter als Bo. Eine ganze Bande von Schlägern. Sie folgte ihnen in Bos Zimmer.
»Sie sind wach und angekleidet, Prinz, My Lady«, sagte der größte Händler, als sie hintereinander in Bos Zimmer gingen. Er war es, der zuerst versucht hatte, den Arm des Mädchens zu fassen, er hatte sie zuerst geneckt. Katsa bemerkte den Spott, mit dem er ihre Titel aussprach. Er hatte nicht mehr Respekt für sie als sie für ihn. Der das Mädchen am Handgelenk gepackt hatte, war neben ihm, diese beiden schienen die Anführer der Gruppe zu sein. Sie standen nebeneinander mitten im Raum, Bo gegenüber, während die anderen vier sich im Hintergrund hielten.
Sie hatten sich gut verteilt, diese Händler. Katsa ging zur Tür an der Seite, die zu ihrem Zimmer führte, und lehnte sich dagegen, die Arme verschränkt. Sie war wenige Schritte von Bo und den beiden Anführern entfernt und konnte die anderen vier im Blick
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