Die Beschenkte
nämlich nicht darauf versessen, irgendeine Adlige zu heiraten, die nur daran denkt, reich oder eine Königin zu werden. Und natürlich muss er jemanden heiraten, in dieser Sache hat er keine Wahl. Und mich zu heiraten wäre eine einfache Lösung. Wir kommen gut miteinander aus, ich würde ihn nicht von seinen Experimenten abhalten. Er würde von mir nicht erwarten, dass ich seine Gäste unterhalte, und würde mich nicht vom Rat abbringen wollen.« Sie dachte an Raffin, wie er sich über seine Bücher und Kolben beugte. Wahrscheinlich arbeitete er auch jetzt mit Bann an seiner Seite an einem Experiment. Bis sie an den Hof zurückkehrte, war er vielleicht schon mit der einen oder anderen Dame verheiratet. Er hätte geheiratet und sie wäre nichtda gewesen, damit er zu ihr kommen und darüber reden konnte, nicht da, um ihm ihre Gedanken mitzuteilen, wenn er das wünschte wie bisher immer.
»Aber letztendlich«, sagte sie, »kam es nicht in Frage. Wir haben darüber gelacht, ich konnte noch nicht einmal ernsthaft darüber nachdenken. Ich würde mich nie darauf einlassen, Königin zu sein. Und Raffin wird Kinder haben wollen, dazu bin ich auch nicht bereit. Und ich möchte nicht so an einen anderen Menschen gebunden sein. Noch nicht einmal an Raffin.« Sie blinzelte ins Feuer und seufzte über ihren Cousin, auf dem eine so schwere Verantwortung lastete. »Ich hoffe, er verliebt sich in eine Frau, die ihm gerne Königin und Mutter sein will. Das wäre das Beste für ihn. Eine Frau, die sich einen ganzen Haufen Kinder wünscht.«
Bo drehte ihr den Kopf zu. »Magst du keine Kinder?«
»Ich habe eigentlich alle Kinder gemocht, denen ich begegnet bin. Ich wollte einfach nie eigene haben. Ich wollte sie nicht bemuttern müssen. Ich kann das nicht erklären.«
Da fiel ihr Giddon ein, der ihr versichert hatte, dass sich das ändern werde. Als ob er ihre Gefühle kennen würde, als hätte er auch nur das geringste Verständnis dafür. Sie warf einen weiteren Knochen ins Feuer und hackte sich ein neues Stück Fleisch von der Gans. Bo schaute sie an, sie spürte seinen Blick und schaute finster zu ihm auf.
»Warum siehst du mich so wütend an«, sagte er, »wenn du doch, soweit ich weiß, gar nicht wütend auf mich bist?«
Da lächelte sie. »Ich dachte nur daran, dass Giddon in mir eine sehr widerspenstige Ehefrau gehabt hätte. Ob er es wohl verstanden hätte, wenn ich in seinem Garten ein Beet mitSeenagel angelegt hätte? Vielleicht hätte er das ja bezaubernd häuslich von mir gefunden.«
Bo sah sie verwirrt an. »Was ist Seenagel?«
»Ich weiß nicht, ob es in Lienid ein anderes Wort dafür gibt. Es ist eine kleine weiße Blume. Wenn eine Frau die Blätter davon isst, bekommt sie kein Kind.«
Sie wickelten sich in ihre Decken und legten sich an das verglühende Feuer. Ein paar kleine Tiere liefen durch das Schilf und hinauf auf einen Baum. Bo gähnte herzhaft, doch Katsa war nicht müde. Eine Frage beschäftigte sie. Aber sie wollte ihn nicht beim Einschlafen stören.
»Was ist, Katsa? Ich bin wach.«
Ob sie sich daran je gewöhnen würde, wusste sie nicht.
»Ich habe mich gefragt, ob ich dich wecken könnte, wenn ich dich im Schlaf innerlich anrufe.«
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich spüre nichts, wenn ich schlafe, aber wenn ich in Gefahr bin oder jemand sich mir nähert, wache ich immer auf. Du kannst es ja versuchen …«, er gähnte wieder, »… wenn es sein muss.«
»Ich werde es ein andermal versuchen, wenn du nicht so müde bist.«
»Bist du nie müde, Katsa?«
»Doch, bestimmt«, sagte sie, auch wenn sie sich an keine Gelegenheit erinnern konnte.
»Kennst du die Geschichte von König Leck von Monsea?«
»Ich wusste nicht, dass es da eine Geschichte gibt.«
»Oh doch. Die Geschichte ereignete sich vor Jahren«, sagte Bo, »und du solltest sie kennen, wenn wir dorthin reisen. Ich werde sie dir erzählen, vielleicht wirst du davon schläfrig.«
Er rollte sich auf den Rücken. Sie lag auf der Seite und betrachtete im Licht des sterbenden Feuers die Linie seines Profils.
»Das letzte Königspaar von Monsea war gütig. König und Königin hatten nicht besonders viel Sinn für Regierungsgeschäfte, doch ihre Ratgeber waren klug und sie selbst waren besser zu ihrem Volk, als es sich die meisten heute von einem Königspaar auch nur vorstellen können. Doch sie waren kinderlos. Für sie war es nicht so gut, Katsa, wie es für dich sein würde. Sie wünschten sich verzweifelt ein Kind, damit sie einen
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